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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ein Verschlag, in dem sie schlafen konnte, ein Haken an der Wand, an dem sie ihren Kittel aufhing. Ihre Schwester, ewig misslaunig, die Kinder, ständig hungrige Duckmäuser, ihr Schwager, der Ruderknecht, der ihr nachstellte. Nun ja, nachdem sie ihn mit einem Fischmesser in die Schranken gewiesen hatte, nicht mehr. Aber in der letzten Zeit ging sie nur noch zum Schlafen in das Haus. Und das musste sie eigentlich auch nicht mehr. Die Beginen hatten ihr ein Kämmerchen über dem Torhaus angeboten.
    Aber bei den Bejinge leben – nee, das ging denn doch zu weit.
    Obwohl die nett waren. Dreimal in der Woche besuchte sie sie, lernte Lesen und Schreiben – mühselig, aber Frau Alyss zuliebe. Rechnen auch, das ging flott. Aber die meiste Freude bereitete ihr die Arbeit in der Küche. Die Köchin, Frau Tina, die konnte wirklich was. Die hatte auch nichts dagegen, wenn Lore zwischendurch mal einen Happen probierte. Und – heilige Martha mit dem Kochlöffel, was war das Essen hier gut!
    Lore war ein rechtes Leckermäulchen geworden. Das schimmelige Brot, den harten Käse, die Kohlpampe ohne jedes Gewürz – Zeug, das sie früher nicht verschmäht hatte, nur um satt zu werden, das widerte sie heute geradezu an. Die fetten Würste, die delikaten Mehlspeisen, die feinen Eiergerichte, die gut gewürzten Suppen – ja, und vor allem die Käferwecken, die Hilda so köstlich zu backen verstand, das war jetzt ihre Nahrung. Und in dem Mehl, das bei den Beginen und bei Frau Alyss verwendet wurde, waren tatsächlich keine Käfer – oder das, was sie früher einmal dafür gehalten hatte. Aber süße Rosinen gab es reichlich.
    Die Fische waren geschuppt, Lore griff zu dem anderen Messer, mit dem sie ihnen die Bäuche aufschlitzte und sie ausnahm. Auch das ging ihr flink von der Hand, und sie ließ dabei ihre Gedanken schweifen.
    Seit sie in Frau Alyss’ Küche gelandet war, hatte das Glück sie nicht mehr verlassen. Das war ganz sicher so. Auch wenn das hieß, dass sie einmal in der Woche in den Badezuber musste. Und nicht mehr so oft durch die Stadt streifen durfte, um mit den anderen Gassenkindern Päckelches auszutragen.
    Obwohl, Kinder waren sie nicht mehr. Sie selbst war inzwischen fast fünfzehn, und seit sie so reichlich zu essen bekam, zeichneten sich unter ihren weiten Gewändern sogar schon einige weibliche Rundungen ab. Bah, sogar ein winzig kleines Bäuchlein hatte sie bekommen.
    Also, ja, das Leben hatte eine gute Wendung genommen, und Geld verdiente sie auch. Das Gänsehüten brachte ihr zwar nur Futter und Kleider ein, aber die Hausarbeiten bei dem komischen Kauz, dem staubigen Magister, die wurden bezahlt. Und die Münzen trug sie immer bei sich, in einem Beutel um den Hals. Die würde ihr der raffgierige Schwager nicht wieder abnehmen.
    Vielleicht sollte sie doch in das Kämmerchen über dem Torhaus ziehen. Da wäre sie sicher, dass niemand ihre Sachen durchwühlte.
    Könnte man überlegen.
    So ungrad waren die Beginen nicht. Eigentlich mochte sie die Frauen ziemlich gerne. Vor allem Frau Catrin. Die hatte so eine sanfte Art, wenn sie etwas erklärte. Nie fühlte sie sich dumm bei ihr.
    Lore legte den letzten Fisch in den Korb und nahm sich die Bohnen vor, die geputzt werden sollten.
    Frau Catrin war im Kerker, das hatte sie am Morgen erfahren. Sie sollte angeblich den Arndt van Doorne umgebracht haben. Wat’n Quatsch!
    Nie und nimmer würde Frau Catrin so etwas tun. Obwohl sie Frau Alyss’ Ziehschwester und beste Freundin war und alle wussten, was für ein Swinigel der van Doorne war. Und was noch schlimmer war: Niemand wollte der armen Frau beistehen. Sicher, sie hatten dafür gesorgt, dass sie aus der Tollkammer rauskam, aber sie schmachtete noch immer im Kerker. Das war ungerecht.
    Lores Vorstellung vom Kerker kam ihrer eigenen Behausung sehr nahe, nur dass dieser Ort noch zusätzlich von gefräßigen Ratten und geilen Wachmännern heimgesucht wurde. Das Grauen davor machte sie so zittern, dass sie sich fast mit dem Gemüsemesser in den Finger geschnitten hätte.
    Es musste doch etwas geben, womit man Frau Catrin helfen konnte. Bestimmt waren die Wachen bestechlich, und dann könnte sie fliehen. Aber dazu würde Lores kleines Guthaben wohl nicht reichen. Besser wär es, wenn man den richtigen Mörder finden würde. Dann müssten sie sie freilassen.
    Und dazu hatte Lore auch schon eine Idee.
    Mörder, das waren grobe, ungewaschene, zerlumpte Gesellen, die schnell mit dem Messer waren, wenn sie ein reiches Opfer

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