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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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fanden. Und ein solch liederlicher Mensch lungerte seit einigen Tagen um den Konvent herum. Ein Bettler, hatte Lore zunächst gedacht und einen Hauch von Mitleid verspürt. Ein hungriger Mensch, der sich nicht einmal traute, laut um milde Gaben zu jammern, wie es die professionellen Bettler taten. Also hatte sie ihm, weil sie wusste, wie schmerzhaft ein leerer Magen sich anfühlte, schon einmal ein Schmalzbrot zugesteckt. Der Mann war so demütig dankbar gewesen. Deshalb hatte sie ihm gestern und vorgestern auch etwas gegeben – eine Wurst, zwei Äpfel … Sie selbst war ja inzwischen immer satt, wenn sie ehrlich war. Da konnte man schon mal was entbehren.
    Jetzt schalt sie sich dumm deshalb. Denn weil er auf ihre Freigebigkeit zählte, lungerte er ständig in der Gegend um den Konvent herum. Und da musste er auch dem van Doorne aufgelauert haben. Und ihn abgestochen haben. Ja, so musste das gewesen sein. Und die arme Frau Catrin hatte den Gemörderten dann gefunden.
    Den Bösewicht sollten die Wachen besser holen.
    Sowie die Bohnen fertig geschnippelt waren, würde sie zum Turm gehen und den Mann beschreiben. Jawoll!
    Lore war mit sich zufrieden, als sie später am Tag hinter dem Hauswesen herging, das den Arndt van Doorne zu Grabe trug. Die Wachen hatten sich ihre Beschreibung angehört und den struppigen Bettler ausfindig gemacht. Er saß jetzt im Kerker und würde sicher bald die grausige Tat zugeben. Und dann war Frau Catrin von aller Schuld befreit.
    Es war ein großes Gefolge, das dem Swinigel das letzte Geleit gab. Aber Lore wunderte sich über nichts. Er galt als reicher Weinhändler, und die Mitglieder der Gaffel Himmelreich wussten wenig von seiner krummen Seele. Was sie hingegen überraschte, war, dass Frau Alyss die Trauernde spielte. Lore glaubte nicht, dass sie wirklich so betrübt war, wie sie sich während der salbungsvollen Grabrede gab, die ein Franziskanerpater hielt. Doch als der von ewigem Leben und Auferstehung schwafelte, von der Vergebung aller Sünden und der Aufnahme ins Paradies, bemerkte Lore, dass Frau Alyss’ linke Augenbraue sich nach oben hob. Der Priester lobte den Swinigel ja auch geradezu in den Himmel. Na ja, vielleicht war es ein böses Omen, wenn man über einen Toten nachteilig redete.
    Hoffentlich war die trübsinnige Feier bald zu Ende und der Leichenschmaus begann. Ganz bestimmt gab es auch Käferwecken.
    Die Aussicht auf Kuchen und Pasteten erheiterte Lore sofort, sodass sie auch die letzten Segensworte geduldig abwartete und zufrieden zuschaute, wie die Erde sich über dem Toten schloss.

8. Kapitel
    D er Leichenschmaus hatte Alyss erschöpft, nicht so sehr deshalb, weil sie eine Unzahl von Leuten zu bewirten hatte, sondern weil sie die Miene der Trauernden die ganze Zeit über hatte beibehalten müssen. Nun waren die Gäste gegangen, und die Jungfern räumten mit Hilda die Reste fort, Tilo rollte mit Peer, dem alten Handelsknecht, die leeren Fässer in den Hof. Sie selbst zog die Tür ihres Kontors hinter sich zu, mit der festen Absicht, ein paar liegen gebliebene Abrechnungen durchzusehen.
    Doch dann saß sie einfach da, rupfte sich den Schleier vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch die schwarzen Haare.
    Nein, Trauer verspürte sie nicht. Und sie war ihren Eltern ausgesprochen dankbar, dass sie heute am Grab neben ihr ausgeharrt hatten. Ihr Vater war von seinem Gut in Villip gekommen, hatte gebrummt, dass es dem van Doorne eigentlich zu viel der Ehre sei, wenn er sich bei seiner Beerdigung sehen ließ. Aber Frau Almut hatte ihn nur angesehen und ihm für Alyss’ Ohren hörbar zu geflüstert: »›Du sollst Leid tragen, wie er es verdient hat, etwa einen Tag oder zwei, damit man nicht schlecht von dir redet‹, hat Sirach empfohlen.«
    »Schon ein Tag ist zu viel«, war die unwirsche Antwort, aber der Herr vom Spiegel hatte sich dreingeschickt. Und in seinem schwarzen Gewand – aus feinstem Tuch, mit Seide gepaspelt – hatte er neben seiner Tochter gestanden, aufrecht und unerschütterlich, trotz seiner weißen Haare, die einzig von seinem hohen Alter kündeten. Doch je länger Pater Henricus seine salbungsvolle Predigt über die Anwesenden ergoss, desto mehr hatte Alyss seinen Unbill gespürt.
    »Habe ich diesen Mann wirklich einst zu eurem Lehrer erkoren?«, murrte er schließlich. »Besser er hätte die Worte des Predigers gewählt, um diesen Kadaver der Erde zu übergeben.«
    Ein erster Anhauch von Erheiterung hatte sie erfasst, und sie hatte leise

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