Mit falschem Stolz
Luft prickelte in seinen Lungen.
»Gehen wir. Ich habe noch einiges zu regeln.«
»Ja. Gehen wir. Ich berichte dir auf dem Rückweg von unserem overstoltzen Pater Henricus.«
33. Kapitel
Z wei Tage später, am Montag nach der Messewoche, beobachtete John mit stillem Vergnügen eine kleine Szene auf dem Hof des Hauswesens. Mistress Alyss stand vor Lore, die sich wieder einmal bockiger als die jennet zeigte. Es war ihr aufgetragen worden, das Tier zusammen mit den Gänsen an den Weiher hinter dem Haus zu führen, damit es auf der kleinen Wiese weiden konnte.
»Das ist ein böses Tier. Da steckt der Teufel drin. Das fass ich nicht an. Ich nicht.«
»Lore, die Eselin mag ein Jahr alt sein. Und sie hat bisher nichts als Hunger und Prügel kennengelernt.«
Lore drehte die Füße inwärts und sah auf den Boden.
»Sie ist misstrauisch gegen alle Welt und fürchtet sich vor neuen Schlägen.«
Lore drehte die Füße auswärts.
»Güte hat sie nie erfahren und nie ausreichend Futter bekommen.«
»Sie beißt. Sie tritt. Sie ist böse.«
»Einst kam ein schmutziges, mageres Mädchen in dieses Haus. Das biss und trat und zeterte. War es böse?«
Lores Füße trappelten.
»Ihr habt mich in die Bütt gesteckt!«, brach es aus ihr heraus. »Das war fies!«
»Notwendig, nicht fies. Lore, bist du uns böse?«
Der gesenkte Kopf wurde heftig geschüttelt.
»Was einem gegeben wird, vergilt man – Schläge mit Schlägen, Güte mit Güte.«
»Aber das Beest ist nicht gut zu mir.«
»Warum sollte es? Du bist ja auch nicht gut zu ihm.«
Lore schaute endlich auf.
»Ich mach’s. Aber Ihr müsst das verbinden, wenn es mich beißt.«
Es klang unsäglich trotzig.
»Versprochen, Lore. Und heute Mittag gibt es einen Extrawecken mit Birnenmus. Geh und rede sanft mit Jennet.«
»Ja, Frau Herrin.«
Unglücklich schlurfte Lore zum Stall.
Alyss sah ihr nach.
Und John lächelte.
Sie zähmte ihr Hauswesen mit sanfter Gewalt.
Seit zwei Wochen war er nun wieder in Köln, und er hatte noch keine Stunde mit ihr alleine verbringen können. Die Anklage gegen sie, die Suche nach dem Mörder, die Messe und Geschäfte, die er zu tätigen hatte, all das hatte seine Zeit aufgefressen, die er damit verbringen wollte, ihr von der Wendung in seinem Leben zu berichten.
Margaret war ins Kloster gegangen, hatte das Gelübde der Keuschheit abgelegt, und seine Ehe war nun aufgelöst.
Als er nach Ostern zu seiner Reise nach England aufgebrochen war, hatte Alyss in ihm Hoffnung geweckt. Und mit Hoffnung war er zurückgekehrt. Manche Nacht hatte er darüber nachgedacht, wie es sein würde. Hatte Pläne gemacht, Möglichkeiten durchgespielt. Er konnte hier bleiben, in Köln. Nur einmal im Jahr über den Kanal reisen, um Tuche zu kaufen. Oder er konnte sie bitten, mit ihm zu kommen, sein kaltes Heim mit Wärme zu füllen. Oder Lord Ivo bitten, ihn in dessen Handelshaus aufzunehmen.
Dass Arndt van Doorne einem Mörder zum Opfer gefallen war, mochte furchtbar sein, dennoch hatte dieser Umstand das letzte Hindernis zwischen ihnen aus dem Weg geräumt.
Was blieb, war die Frage, ob seine Mistress Alyss ihm noch immer zugetan war. Oder hatten Tod und Kerker sie verstört und anderen Sinnes werden lassen?
Lore kam mit der Eselin aus dem Stall. Das Tier hatte nun ein breites Lederhalfter, nicht mehr einen rauen Strick um den Hals, aber so recht bereitwillig folgte es der Maid nicht.
»Nun komm schon, du Messveech. Süßes Messveech. Liebes Messveech«, säuselte die Kleine. Jennet schnappte nach ihrem Kittel.
Was immer da in zärtlichstem Tonfall über ihre Lippen quoll, erschloss sich John nicht, die kölsche Zunge war ihm noch immer nicht geläufig. Poetisch war es gewiss, doch sicher waren es keine Minnelieder, sondern eine Sammlung einfallsreicher Flüche.
Mistress Alyss verbiss sich darob ein Lachen, ging zu dem unwilligen Gespann und zauselte die Eselin zwischen den Ohren.
Die keilte aus.
Lore hüpfte weg.
»Geh in den Gemüsegarten, Lore. Es gibt noch ein paar Möhren. Hol sie.«
Lore schoss fort, Alyss redete besänftigend auf das Grautier ein. Und als Lore mit den Karotten zurückkam, sagte sie: »Halt sie ihr vor die Nase, und lock sie damit. Wenn sie ein Stück gefolgt ist, gib ihr eine. Und nenn sie Jennet, nicht Mistvieh.«
»Ja, Frau Herrin.«
Etwas zögerlich streckte die Maid den Leckerbissen aus, und die Eselin machte ein paar Schritte darauf zu. Lore ging wieder vor, das Tier folgte.
»Mit Futter und sanfter Strenge zähmt
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