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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Doorne sich nun endlich erklärte.
    Aber dieser Umstand hatte ihm seinen eigenen unausgegorenen Gefühlsbrei wieder in Erinnerung gebracht.
    »Bruderlieb, du verbreitest plötzlich wogende Düsternis. Ist es dir nicht recht, dass Robert um Catrin wirbt?«
    Marian fuhr zusammen.
    »Doch. Natürlich. Doch. Ich wünsche es beiden, dass sie zueinander finden.«
    »Aber …?
    Er hob eine Schreibfeder auf und zerknickte sie.
    »Marian! Meine Feder!«
    »Was? Oh, verzeih.«
    Sie nahm ihm das gezauste Ding ab und legte es vor sich.
    »Was ist los?«
    »Wenn ich es wüsste.«
    »Dich hat große Unruhe erfasst, und ich glaube, sie hat nichts mit Robert oder Arndt zu tun. Komm, wir wollen ins Kloster gehen.«
    »Ins Kloster? Nein, wahrlich nicht mein Ziel.«
    »Ich weiß. Aber wir tun es dennoch. Ich will dem Bruder Gärtner von Sankt Pantaleon einige Ableger seiner Kräuter abschwatzen.«
    »Na gut. Obwohl es andere Dinge zu erledigen gibt.«
    »Gibt es, aber manches kann auch warten.« Sie legte sich das Gebende mit schnellen Bewegungen wieder an und versteckte ihren langen schwarzen Zopf darunter.
    Sie hatte recht , dachte Marian. Es gab Zeiten, da musste man mit sich selbst ins Reine kommen. Er schloss sich ihr also an, als sie mit weitausholenden Schritten, den leeren Weidenkorb am Arm, Richtung Waidmarkt ging und dann dem Bachlauf folgte, der hier den Färbern und Gerbern bei ihrem Handwerk half. Sie ließen die Häuser aber bald hinter sich, und als sie durch die wohlbestellten Weingärten wanderten, in denen Arbeiter und Mönche die Reben für den Winter versorgten, hatte er allmählich die Worte zusammengesammelt, mit denen er seine ungemütliche Stimmung beschreiben konnte.
    »Ich habe Gislindis getroffen.«
    »Ja.«
    Er trottete weiter neben seiner Schwester her.
    Fünf Tage und Nächte war sie mit Gislindis zusammen in dem engen Gelass im Turm eingesperrt gewesen. Worüber mochten sie gesprochen haben? Alyss war, das fühlte er, inzwischen sehr innig mit der Schlyfferstochter. Was hatten sie einander anvertraut?
    Die runden Doppeltürme von Sankt Pantaleon tauchten vor ihnen auf.
    »Sie hat mich gefragt, ob ich vorwärtsgehen kann«, murmelte er, als sie die hohe Mauer erreichten, die das Kloster und die Kirche umgab.
    »Ja.«
    Alyss klopfte an die Pforte und erklärte dem Mönch, der durch das Fensterchen schaute, dass sie Bruder Barthel zu sprechen wünschte.
    »Oh, Frau Alyss, ja. Er ist im Garten, wie üblich. Tretet ein.«
    »Mein Bruder Marian, er begleitet mich.«
    »Seid willkommen im Namen des Herrn.«
    Sie durften durch das Tor treten, und der behäbige Benediktiner wies sie nach links, wo ein ordentlicher Lattenzaun einen gepflegten Garten umgab.
    »Ich habe mit Frau Clara und Catrin vor einigen Wochen hier einen Besuch abgestattet, um Kürbispflanzen für den Garten im Konvent abzuholen. Darüber bin ich mit dem Gärtner ins Gespräch gekommen«, erklärte Alyss. »Sie haben einige sehr ausgefallene Pflanzen hier.«
    Marian überblickte die säuberlich abgegrenzten Beete, zwischen denen schmale Kieswege entlangführten. Heilkräuter hatte er bei Jan und Trine kennengelernt und erkannte schon auf den ersten Blick, dass hier wirklich alle notwendigen Gewächse gediehen. Ein ältlicher Mönch in brauner, lehmiger Kutte kniete mit Schere und Korb zwischen den Minzen und entfernte welke und verholzte Teile. Als Alyss ihn ansprach, erhob er sich, und für eine Weile vergaß Marian sein Anliegen und erfreute sich an den fachkundigen Erläuterungen des Mannes. Der ließ sie jedoch alleine, als die Glocken ihn zur Non riefen.
    Alyss suchte sorgsam einige Wermutpflanzen aus, Beifuß und etwas Polei- und Katzenminze und legte auch die drei Zwiebeln der Lilien in den Korb, die Bruder Barthel ihr geschenkt hatte. Dann schlenderte sie zu der Bank unter der uralten Eibe, und Marian gesellte sich zu ihr. Der November mochte mit Frost drohen, doch an diesem Nachmittag hatte die Sonne noch einmal alle Kraft zusammengenommen, und in dem geschützten Garten wärmte sie ihm die Glieder.
    »Hat Gislindis dir aus der Hand gelesen, Bruder mein?«
    »Nein, das hat sie nicht. Und doch schimmerten ihre Augen seltsam. Kann sie Gedanken lesen?«
    »Nein, aber sie kann in Gesichtern lesen, Marian. So wie ich auch in deinem lesen kann.«
    »Und was siehst du darin?«
    »Zweifel. Verwirrung. Ratlosigkeit.«
    Er seufzte.
    »Ist wohl nicht so schwer zu erkennen, was?«
    Er zupfte ein Minzenblatt ab und zerrieb es zwischen den Fingern.

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