Mit Familienanschluß
nicht.
Das Schicksal hat manchmal sehr vertrackte Launen.
Mag ein Italiener noch tolerieren, daß eine Frau, mit der er befreundet ist, von anderen Männern bestaunt wird, weil es ihn stolz macht, alleiniger Besitzer der Bewunderten zu sein, so ist das bei einem Spanier ganz anders. Ein Spanier, mit Stolz bis zum Kragenknopf gefüllt, wird niemals dulden, daß ein Fremder sein Revier betritt. Wer sich begeistert, wenn Stiere öffentlich abgestochen werden, kennt auch keine Gnade bei seinem Nebenbuhler.
Das Mädchen, das Walter begleitete, war Spanierin. Und der Mann, der plötzlich angeschossen kam, war auch Spanier. Er tauchte auf, als Walter und das Mädchen zur Palmenallee hinaufmarschierten, weil Walter gestenreich zu verstehen gegeben hatte, daß man gemeinsam etwas trinken sollte.
Das Mädchen blieb abrupt stehen, schrie dem Mann, der heranstürmte, etwas zu, was Walter nicht verstand. Aber immerhin merkte er, daß hier Gefahr auf sie beide zukam, und legte – man ist schließlich ein Gentleman – den Arm beschützend um seine Begleiterin.
So etwas sieht kein Spanier gern. Das sind Vertraulichkeiten, die spanisches Blut in ungeheure Wallung bringen. Es ging dann auch alles blitzschnell. Walter nützten seine ganzen Judokünste nichts, er bekam einen Schlag auf das rechte Auge, ohne daß er überhaupt die Faust wahrgenommen hätte, die da auf ihn zuschoß.
Das Mädchen wurde von seiner Seite gerissen und weggezerrt, und als Walter halbwegs klar denken konnte und sein Auge bereits zuzuschwellen begann, war das spanische Paar weit weg in Richtung Strand. Walter sah nur noch, wie das Mädchen mit wilden Gesten auf den Mann einsprach, aber was ein stolzer Spanier ist, der nimmt keine Erklärungen an, sondern verläßt sich nur auf das, was er gesehen hat.
Eine Stunde später kam Walter im Ferienhaus an. Sein rechtes Auge war verschwollen, obwohl er es sofort mit Eis gekühlt hatte. Die Familie war voll im Einsatz. Hermann Wolters trieb die Ziegen und Schafe aus dem Weingarten in den Stall – und das schon seit einer halben Stunde. Er fluchte völlig enthemmt, denn es war unmöglich, die Tiere zu einer Herde zu vereinigen und geordnet zum Stall zu führen. Eines brach immer aus und hüpfte in den verwilderten Garten zurück.
Aus der Küche roch es nach Gulasch. Dorothea kochte das Abendessen, Gulasch mit Nudeln und Salat. Maulend saß Gabi auf der Terrasse, putzte und verlas die Salatköpfe und schälte und schnitt die Gurken.
Eva Aurich und Manfred säuberten die Waschküche. Die gab es tatsächlich; Manfred hatte sie neben dem Stall entdeckt, eine Kammer, die voller Gerümpel steckte, aber als man sich näher umsah, gewahrte man unter Holzlatten und Kisten einen runden Betonbottich und darüber einen Wasserhahn.
Eva war daraufhin sofort zu Dorothea gelaufen. »Wir haben eine Waschküche!« hatte sie gerufen.
Kein Fußballänderspiel mit 10 : 0 hätte eine solche Begeisterung ausgelöst wie diese Meldung. Dorothea war in die Kammer gerannt, aber dann doch sehr enttäuscht gewesen.
»Ja«, hatte sie gesagt, »das ist eine Waschküche. Das ist ein uralter Waschkessel mit Unterfeuerung. Wenn ihr weitersucht, werdet ihr auch das Waschbrett finden. So hat meine Großmutter noch gewaschen.«
Als Walter eintraf, schwenkte Wolters beide Arme und schrie: »Komm her! Hilf mir, Walter. Sie wollen nicht in den Stall.«
»Dann laß sie draußen.«
»Komm her!«
Walter kam widerwillig näher, betrat den Weingarten und gab einem Schaf, das an ihm vorbeitrottete, einen Tritt in das Hinterteil. Das Schaf blökte und trabte geradeaus zum Stall.
»So muß man das machen, Paps«, sagte Walter.
Entgeistert starrte Wolters seinen Sohn an. »Was ist denn mit dir los? Wie siehst du denn aus?«
»Wie soll ich denn aussehen?«
»Dein rechtes Auge! Dick, rot, zugeschwollen …«
»Das Scheiß-Auto!« brummte Walter. Es ist gut, wenn man einen Wagen hat. Er kann immer als Alibi dienen. Bei einem Auto ist alles möglich.
»Wie ist denn das passiert?«
»Ich liege drunter und fummele an einem abgerissenen Kabel, da fällt mir eine dicke Schraube genau aufs Auge. Ich hab' sofort gekühlt.«
»Es ist furchtbar mit diesen Autowerkstätten!« Wolters tat es seinem Sohn nach, gab einer Ziege einen Tritt – und siehe da, sie trottete freiwillig in den Stall. Vielleicht war das die richtige Umgangsart für italienische Schafe und Ziegen. Wie soll man sich da auskennen? »Auch mein Wagen klappert wieder. Aber diesem Meister
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