Mit Familienanschluß
Kläffen.
»Verdammtes Mistvieh!« sagte Walter und gab Gas.
Das Hundegebell weckte Dorothea; wie bekannt, hatte sie einen leichten Schlaf. Sie richtete sich auf und lauschte. Der Hund heulte, als sei er verletzt worden. Dorothea beugte sich über ihren Mann, der zufrieden wie ein satter Säugling schlief.
»Muckel, da heult ein Hund …«
»Hmhm …«, machte Wolters.
»Er heult ganz schrecklich.«
Wolters blinzelte, hörte das Heulen und schloß die Augen. »Hat sich verlaufen.«
»Wieso? Woher weißt du, daß er sich verlaufen hat?«
»Wer so heult, gehört nach Baskerville …«, murmelte Wolters schlaftrunken.
»Wohin?«
»Baskerville. Der Hund von Baskerville …«
»So was Blödes!« sagte Dorothea beleidigt, aber das hörte Wolters schon nicht mehr. Er war wieder eingeschlafen. »Ich werde in dieser Familie behandelt wie ein nasser Lappen!«
Welch ein Glück, daß Hermann Wolters satt vom Essen, von ehelicher Liebe und müde vom Strand und der jodhaltigen Seeluft war …
Man hätte darauf eine Wette abschließen können, ohne ein Risiko einzugehen: Im Tanzschuppen ›Sirena‹ traf sich nicht nur alles, was in Diano Marina jung oder junggeblieben war – auch Ingeborg saß an der langen Bar, trank einen Gin Fizz und versuchte, Paul Hedler zu erklären, warum die gegenwärtige Welt so ungeheuer beschissen war. Alles wäre viel zu kompliziert, alles müsse einfacher werden.
»Da ist er!« sagte Hedler plötzlich.
»Wer?«
»Der in Grund und Boden verfluchte Walter. Donnerwetter, hat der sich eine Biene aufgerissen.«
Ingeborg fuhr herum, als hätte sie etwas gestochen, und sah Walter mit Eva auf einen Tisch in einer Ecke zusteuern.
»Das ist keine Biene, sondern Eva, der Familienanschluß. Sie soll auf Manfred, den jüngsten Sohn, aufpassen.«
»Und kümmert sich um den ältesten! Das nennt man einen full Job. Immerhin hat der Junge Phantasie. Er tritt als Pirat auf oder als einäugiger Nahkämpfer.«
»Er muß sich verletzt haben …«
»Vielleicht ist ihm von vielen Hinblicken auf Eva eine Pupille explodiert …«
»Gehen wir an ihren Tisch?« fragte Ingeborg. »Da ist noch Platz frei.«
»Wir stören doch bloß.«
»Das will ich ja. Walter ist nämlich total aufm Holzweg.«
»Das mußt du mir erklären.«
»Er bildet sich ein, er könnte an Eva rankommen. Aber das ist völlig aussichtslos. Eva steht auf meiner Seite. Daß ich hier bin, war ihre Idee.«
»Und Walter ahnt nichts von eurem Komplott?«
»Nichts.«
»Ein armer Hund. Ich empfinde fast Mitleid mit ihm.«
»Also gehen wir hin und trösten wir ihn.«
Walter zuckte ebenso zusammen wie vorhin Ingeborg, als sie plötzlich an seinem Tisch stand und fragte: »Bist du in der Lage, mit mir zu tanzen?«
»Wie du siehst, habe ich Begleitung!« antwortete Walter kühl. Aber sein Herz wurde zum Schmiedehammer, als er Paul Hedler an Ingeborgs Seite entdeckte.
»Hei, Eva!« rief Ingeborg. »Darf ich dir Paul vorstellen? Paul Hedler …«
»Mercedes-Sportkabriolett«, fügte Walter gehässig hinzu. »So'n Aufreißer-Wagen.«
Hedler überhörte das. Er verbeugte sich formvollendet, gab Eva die Hand, und Walter wartete nur darauf, daß er ihr einen Handkuß verpaßte.
»Ich bin sozusagen ein Findelkind«, sagte Hedler und nahm neben Eva Platz. »Am Straßenrand aufgelesen, zerknüllt und weggeworfen.«
»Dafür sehen Sie aber noch ganz passabel aus!« Eva lachte und stieß Walter mit dem Ellenbogen an. »Wenn du mit Ingeborg tanzen willst – du bist beurlaubt.«
»Nein.« Walter blieb stur sitzen. »Ibo tanzt wie ein Schilluk.«
»Wie wer? – Paul, ist das eine Beleidigung?«
»Die Schilluks sind ein Hirtenvolk der Luo-Gruppe am Oberen Weißen Nil.«
»Ihr dämlichen Intellektuellen mit euren Geistesfurzen …«
Walter lachte. »Da haben Sie sie in Reinkultur, Paul! Das ist Ibo! Dem Himmel sei Dank – ich gönne sie Ihnen!«
»Kommst du nun tanzen?« fragte Ingeborg beharrlich. »Sonst greif' ich mir den nächsten Typ …«
Nur um einen Skandal zu vermeiden – nur deshalb! – erhob sich Walter und stieß einen langen Seufzer aus. Dann drängelte er sich mit Ingeborg zur Tanzfläche, faßte sie um die Hüften und schob sich in das Gewühl.
Man konnte eigentlich nur auf der Stelle stehen, mit den Hüften und den Schultern wackeln und sich aneinander reiben. Auch das kann man Tanzen nennen, und es ist nicht einmal so übel. Jedenfalls spürte Walter mit einem wohligen Gefühl, wie Ingeborgs Unterkörper an dem seinen zu
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