Mit Familienanschluß
… Es gibt doch andere Badehosen, Kompromisse … Noch heute kaufen wir dir vernünftige Badehosen, ja, Muckel?
Aber das sprach sie nicht aus.
»Prost!« sagte Wolters und setzte sich neben Dorothea. »Ich habe vorhin mit Eva Brüderschaft geschlossen.«
»Ich auch.«
»Das war ja auch längst fällig. Ein liebes, kluges Mädchen …«
»Das ist sie.« Dorothea nickte und dachte: Und ich bin eine dumme Pute. Glorifiziere meinen Muckel zu einem Casanova hoch.
Sie lachte ein bißchen und meinte: »Das Bier ist köstlich.«
Sie tranken ihre Büchsen leer, lehnten sich aneinander und sahen Eva und Manfred zu, wie sie im Tretboot das Meer eroberten.
»Gefällt es dir hier, Hasi?« fragte Wolters und klapperte mit der Bierdose.
»Es ist wundervoll, Muckel …«
»Also habe ich mal wieder rechtgehabt?«
»Du hast immer recht.«
»Verlaßt euch nur auf Vater!«
»Wer hätte das je vergessen!«
Das sagt sich so leicht. Aber wie schwer ist es, solche Erkenntnisse dauernd zu verwerten. Und am allerschwersten ist, ein zwanzigjähriges Vertrauen aufrechtzuerhalten, wenn das passiert, was in der nächsten Nacht geschah.
Wir kennen das schon: Chiantiwein wirkt bei Hermann Wolters treibend. Er wachte gegen zwei Uhr auf, schlich aus dem Bett und blickte auf dem Rückweg wieder aus dem Fenster, um Himmel, Meer, Sterne, Mondschein und die zu Stein gewordene Romantik von Diano Marina zu bewundern.
Was er sah, ließ ihn erstarren.
An der Hauswand lehnte eine lange Leiter. Nur ein Stückchen ragte sie über Evas Zimmerfenster hinaus.
X
Es ist bekannt, daß das ›Fensterln‹ in Bayern zu den Sportarten gehört, die besonders in ländlichen Gegenden zu wahren Meisterschaften führen können. Eine Leiter, nächtens an ein Kammerfenster gelehnt, signalisiert immer, daß innerhalb der Kammer ein kräfteverzehrender Zweikampf stattfindet. Nur Unsportliche oder Ignoranten sehen in diesen Übungen etwas Verwerfliches und fühlen sich verpflichtet, dem Ringen ein Ende zu bereiten.
Wolters gehörte zu jener Kategorie von Mißgönnern, in denen eine Leiter an einem Kammerfenster tiefes Unbehagen erzeugt. In diesem Fall waren es sogar wieder die typischen Magenschmerzen, die ihn überfielen, sowie eine Blutleere im Gehirn, die ein klares, logisches Denken verhinderte.
Walter – das war sein erster Gedanke. Walter ist bei Eva eingestiegen!
Hermann Wolters kam gar nicht in den Sinn, wie absurd das war. Denn wozu sollte Walter eine Leiter benutzen, wenn er nur sechs Schritte über den Flur zu schleichen brauchte, um in Evas Zimmer zu kommen?
Auch tat Hermann Wolters nicht das Naheliegendste und ging hinaus, um an Walters Tür zu klopfen und sich zu überzeugen, ob er in seinem eigenen Bett lag oder nicht, sondern warf nur einen Blick auf Dorothea, war beruhigt, daß sie fest schlief, und schlich dann wieder hinaus.
Er lief auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, zur Haustür hinaus, halb um das Haus herum und stand dann vor der Leiter, die man unten sogar mit zwei Steinen abgestützt hatte, damit sie nicht wegrutschen konnte.
Wolters holte ein paarmal tief Atem.
Erst jetzt merkte er, daß er barfuß war und die Nachtkühle empfindlich spürte. Er trug einen neuen Schlafanzug mit kurzen Hosen, den Dorothea ihm in Bamberg gekauft hatte mit dem Hinweis, italienische Nächte dürften vermutlich warm sein, da sei ein nacktes Bein eine angenehme Kühlung. Aber es war unmöglich, jetzt zurückzukehren und sich einen Bademantel zu holen.
Mit heiligem Groll und voll heißer Eifersucht stieg Wolters langsam die Sprossen der Leiter hoch. Je höher er kam, je näher Evas Zimmerfenster rückte, um so zögernder wurde sein Schritt und um so feuriger seine Qual.
Evas Fenster war geschlossen, die Gardine vorgezogen. Kein Licht schimmerte nach draußen, kein Laut war zu hören.
Natürlich, dachte Wolters voller Ingrimm. Jetzt ist es gleich halb drei. Jetzt schlafen sie Arm in Arm in seliger Erschöpfung!
Er schluckte mehrmals, legte dann sein Ohr gegen den Fensterrahmen und hielt den Atem an.
Waren da nicht Geräusche zu hören? Stimmen? Kichern? Knarren? Laute der Verworfenheit?
Wolters bohrte den kleinen Finger in sein Ohr, schüttelte heftig den Kopf und preßte sich dann wieder an den Fensterrahmen. Das Blut rauschte so ekelhaft in seinen Schläfen, daß er ein Dutzend verschiedene Geräusche hätte wahrnehmen können und doch keines zu deuten gewußt hätte.
Nur eines hörte er plötzlich ganz klar, etwa drei Meter neben sich, und
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