Mit Familienanschluß
Ordnung.«
»Mami tun bloß die Beine weh«, rief Manfred enttäuscht. »Ich hol' schnell Eva. Können wir dann weiterfahren?«
»Si, ragazzo.«
»Was sagt er, Mami?«
»Du darfst …«
Dorothea blieb am Boot stehen, während Manfred zu Eva lief, mit wilden Armbewegungen auf sie einredete und sie dann mitbrachte. Lachend und völlig unbefangen trat Eva auf Dorothea zu.
»Na, dann wollen wir mal!« sagte sie fröhlich. »Wo willst du hin, Manni? Nach Afrika rüber?«
»Es tut mir leid, daß ich Sie holen ließ«, erwiderte Dorothea steif. »Aber Manfred war so schnell bei Ihnen, daß ich ihn nicht zurückhalten konnte. Außerdem merke ich, daß ich einen tollen Muskelkater von dem Strampeln bekomme. Man ist ja nicht mehr die Jüngste, als Mutter von drei Kindern … Ihnen war es nicht langweilig?«
»Aber nein! Wir haben uns sehr gut unterhalten.«
In Dorothea gärte es. Du Schlange, nimm dir nicht zuviel heraus! Ich zertrete dir den Kopf! Noch bin ich da und heiße Frau Wolters! Noch bist du nicht an meiner Stelle – und wirst es auch nie sein!
»Ich habe Ihren Mann um etwas gebeten«, fuhr Eva fort, »was ich auch Ihnen sagen möchte: Bitte, nennen Sie mich du …«
»Mein Mann hat zugestimmt?«
Was für eine blöde Frage – man hatte es ja sehen können! Hunderte am Strand haben es gesehen. Während die Ehefrau auf dem Wasser ist, küßt der Ehemann junge Mädchen …
»Ja, sofort.« Eva lächelte. »Ich fühle mich so wohl in Ihrer Familie, ich bin wie zu Hause, ich könnte, wenn es nicht zu dumm wäre, Mutti zu Ihnen sagen … zu … dir. Bitte …«
»Also, Eva, gute Fahrt – und paß auf, daß Manni nicht ins Wasser fällt. Er hampelt immer so wild herum.«
Eva gab Dorothea einen Kuß auf die Wange, sagte: »Danke!« und lief mit Manfred zum Meer, wo das Tretboot wieder auf den Wellen schaukelte.
Dorothea war bei ihrem Kuß wie versteinert geblieben. Ein Judaskuß, dachte sie. Die Freundschaft mit der Ehefrau verwässert den Verdacht! Welch ein Abgrund an Raffinesse. Dieses Mädchen hat das Aussehen eines Engels, aber die Moral eines Satans!
Sie riß sich von dem Anblick der lachenden Eva los, die gerade mit Schwung das Tretboot über die leichte Brandung brachte, und wandte sich ab.
Das Badetuch war leer. Hermann Wolters war gegangen. Ein heißer Stich durchfuhr Dorothea.
Er ignoriert mich. Eva ist weg, also geht er auch. Er hat kein Interesse mehr daran, sich mit seiner Frau zu beschäftigen. Oder – und das ist sogar wahrscheinlicher – er weicht mir aus. Er scheut Fragen und Diskussionen. Mit nonchalanter Feigheit schiebt er die Zeit zwischen sich und mich. Er wird erst wieder auftauchen, wenn wir nicht mehr allein sind.
Dorothea setzte sich auf das Badetuch, zerknüllte Wolters' Zeitung und hätte wieder weinen mögen. Plötzlich haßte sie dieses Meer und diesen wolkenlos blauen Himmel, diese heiße Sonne und das Rauschen der Wellen. Sie haßte dieses ganze bunte Leben, die Stadt Diano Marina, das Ferienhaus ohne Waschmaschine, den verwilderten Weingarten, den Panoramablick von der Terrasse … alles, alles haßte sie und sehnte sich nach Bamberg in die Wohnung zurück, wo sie so viele Jahre lang glücklich gewesen war.
Im nächsten Jahr war der Bausparvertrag zuteilungsreif. Da hatte Hermann bauen wollen, außerhalb von Bamberg, in der Nähe des Seeschlosses, in ozonreicher Luft, inmitten von Feldern und Gemüsegärten.
Es war fraglich, ob Eva als Nachfolgerin so ein Landleben gefiel. Ihre Welt war bestimmt nicht von einem Zaun und einer Hecke umgeben.
Nachfolgerin … Mein Gott, man sollte Muckel aufs Hirn schlagen, damit er wieder vernünftig wird!
Ein Schatten fiel über Dorothea. Sie blickte erschrocken hoch und sah Hermann vor sich in der Sonne stehen. Er hatte wieder seine alten Schwimmshorts an und seinen weißen Leinenhut auf. In der Hand hielt er zwei Dosen Bier.
»Hast du Durst, Hasi?« fragte er heiser. »Ich hab' mir gedacht, daß du Durst hast. So auf dem Meer im Tretboot zu strampeln …«
Sie schwieg, nickte nur, nahm die Bierdose an und dachte: Nur Ruhe, Ruhe, sonst heule ich gleich los. Er hat sich umgezogen, er sieht wieder wie Hermann Wolters aus. Was ist da bloß passiert? Wie kommt er dazu, seinen Herren-Tanga auszuziehen? Ach, Muckel, in dieser Badehose mit den Beinen siehst du wirklich altmodisch aus. Das muß nicht sein, du bist ja noch kein alter Mann, du bist noch gut in Form. Nur die andere Hose, die war zu klein, zu eng, von mir aus auch zu sexy
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