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Mit Familienanschluß

Mit Familienanschluß

Titel: Mit Familienanschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in der Stille klang es wie ein Posaunenstoß. Dorotheas Stimme:
    »Hermann! Was machst du denn da?«
    Er wandte den Kopf zur Seite, sah sie in ihrem fliederfarbenen, dünnen Nachthemd mit dem Spitzeneinsatz vor der Brust am Fenster stehen, und als er ihr ins Gesicht blickte, wußte er, daß es schwer sein würde, ihr die Situation als ganz harmlos zu erklären.
    »Psst«, machte er und legte den Finger auf die Lippen. »Sei doch leise!«
    »Was machst du da auf einer Leiter vor Evas Fenster?«
    »Gib doch Ruhe …«
    »Ich denke nicht daran! Ich fange erst an! Sollen doch alle wach werden, alle – und ihren supermoralischen Vater nachts auf einer Leiter vor einem Weiberzimmer sehen! Hermann Wolters beim Fensterln! Der Nachtkater von Diano Marina …«
    »Hasi!«
    »Ich verbitte mir diese dumme Anrede! Erkläre mir sofort …«
    »Nicht hier. Nicht auf der Leiter …«
    »Kommst du oder gehst du wieder? Bist du noch kräftig genug in den Knien, um herunterzusteigen?«
    »Dorothea, bitte, sei doch leise …«
    »Du bietest einen ekelhaften Anblick.«
    »Es ist zum Kotzen!« sagte Wolters zermürbt. »Es ist wirklich zum Kotzen!«
    »Mehr bist du auch nicht wert!«
    Wolters stieg die Leiter hinunter, den Stachel im Herzen, daß hinter dem verhängten Fenster Eva und Walter jetzt im Bett saßen, alles mit anhörten und viel zu feige waren, das Fenster zu öffnen und ihn, den Unschuldigen, zu entlasten.
    Das fand er besonders widerlich: Der Sohn läßt seinen Vater hängen! Unter erwachsenen Männern muß es doch eine gewisse Solidarität geben!
    Auf nackten Füßen lief Hermann Wolters ums Haus herum, stieß sich noch an einem Stein, schrie – oh, wie das befreite – laut: »Scheiße!« und humpelte die Treppe hinauf.
    Dorothea stand im Schlafzimmer wie eine Rachegöttin. Wolters fielen blitzschnell Vergleiche ein: Medea, bevor sie Jason tötete, Penthesilea, bevor sie Achill zerfleischte, Kriemhild bei der Vernichtung der Nibelungen …
    »Ich habe einen Stein gerammt«, sagte Wolters kläglich und setzte sich aufs Bett.
    »Mir scheint, du hast heute schon einiges gerammt …«
    »Werde bitte nicht ordinär, Hasi …«
    »Aha! Du weißt also genau, was ich meine!«
    »Deine Gedankengänge sind völlig verworren. Ein Labyrinth.«
    »Hauptsache, du bist ans Ziel gekommen.«
    »Kann ich jetzt endlich etwas erklären?« fragte Wolters voller Qual.
    »Darauf warte ich ja! Ist sie wenigstens eine echte Blondine?«
    »In diesem Stil rede ich nicht mit dir …«
    »Weil du ein Feigling bist! Weil du nichts, gar nichts erklären kannst! Ich treffe dich an, wie du nachts zu Eva schleichst – auf einer Leiter …«
    »Da fängt der Irrtum schon an!«
    »Hast du auf einer Leiter vor Evas Fenster gestanden? Ja oder nein?«
    »Ja …«
    »Was gibt es da noch zu erklären?«
    »Warum ich auf der Leiter stand …«
    »Das ist ja wohl klar. So was Knackiges an jungem Fleisch …«
    »Ich wußte gar nicht, daß du so vulgär sein kannst, Dorothea.«
    »Du weißt so vieles nicht! Von mir jedenfalls weißt du besonders wenig! Aber das wird sich ändern. Mir sind jetzt die Augen aufgegangen. Ich dumme Gans habe leider zwanzig Jahre dazu gebraucht. Mein Mann auf einer Leiter vor einem Fenster! Ein Vater von zwei erwachsenen Kindern – und jault herum wie ein liebeskranker Kater …«
    »Ich habe nicht gejault! Verdammt, hör doch mal zu …«
    »Ich höre die ganze Zeit …«
    Wolters wischte sich über das Gesicht. Das Benehmen von Dorothea erschütterte ihn echt. Er entdeckte eine ganz neue Seite an ihr: Sarkasmus, gepaart mit einem heroischen Vernichtungswillen. Er hätte nie für möglich gehalten, daß aus ihrem Mund solche Reden kommen könnten.
    »Ich mußte zur Toilette, blickte beim Rückweg zum Fenster hinaus und sah die Leiter am Haus lehnen.«
    »Du kamst von der Toilette! Etwas Geschmackloseres fällt dir wohl nicht ein.«
    »Hasi …«
    »Laß endlich das kindische Hasi! Weiter …«
    Wolters schielte zu seiner Frau hoch. Dorotheas sonst so gütige Augen waren wie mit Blitzen geladen. Sie zitterte – er sah es deutlich durch das dünne Nachthemd. Sie zitterte und war ein Bündel gequälter Nerven.
    »Ich bin um das Haus herumgegangen, um nachzusehen, wer bei Eva eingestiegen war.«
    »Ach! Ich entdecke ja ganz neue kriminalistische Züge an dir!«
    »Mit Hohn ist überhaupt nichts gewonnen! Ich bin die Leiter hinaufgestiegen, um mich zu überzeugen … Da hast du mich unterbrochen.«
    »Du hast den Fensterrahmen geküßt!

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