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Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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lange außer Sichtweite. Vermutlich war er mittlerweile dabei zu packen oder seine Rechnung zu begleichen. Während er um die Herberge herumlief, bemerkte Fen vage ein Auto, das in Richtung Sanford Morvel davonfuhr, schnelle, leichte Schritte, die sich über die Dorfstraße entfernten, das polternde Herannahen eines schweren Fahrzeugs und den durchdringenden Lärm einer Hupe. Diese Geräusche nahm er jedoch nur am äußersten Rand seines Bewusstseins wahr, und der warnende Ruf, der kurze, erstickte Schrei, das plötzliche Quietschen der Bremsen verharrten während einiger langer Sekunden an diesem Rand, bis er plötzlich mit in die Hose rutschendem Herzen seiner Umgebung gewahr wurde und die Geräusche als das erkannte, was sie waren. Dann rannte er los – rannte über den Hof und auf die Straße hinaus.
    Nach hundert Metern machte die Straße eine scharfe Biegung. Wenn man Sanford Morvel den Rücken zukehrte, lag zur Rechten eine glatte, hohe Mauer aus rotem Backstein, die den Gasthof vom Verkehrslärm abschirmte. Und es gab keinen Bürgersteig – nur einen mit Gras und Brennnesseln bewachsenen Randstreifen, der kaum dreißig Zentimeter breit war … unter diesen Umständen war ein Unfall nur allzu wahrscheinlich, und dieser Unfall schien von der schlimmen Sorte zu sein. Der inzwischen zu einem Halt gekommene Lastwagen stand mit laufendem Motor quer auf der Straße. Fast direkt unter seinen Rädern lag der reglos ausgestreckte Körper von Jane Persimmons. Als Fen auf sie zurannte, beugten sich schon der Lastwagenfahrer, eine Dorfbewohnerin mittleren Alters und ein alter Mann über sie, auf deren Gesichtern sich wie in der Allegorie eines Malers Unentschlossenheit und Schock vermischten.
    Fen kniete neben dem Mädchen nieder, fühlte nach ihrem Herzen; es schlug noch, wenn auch schwach und unregelmäßig. Er warf einen kurzen, abschätzenden Blick auf das dunkle Blut, das aus ihrem zerzausten Haar strömte, auf die geplatzte Unterlippe, auf ihr bleiches, verschmutztes Gesicht, die Handtasche, die neben ihrer ausgestreckten Hand lag, den Tascheninhalt – ein spitzengesäumtes Taschentuch, ein Türschlüssel, Puderdose und Lippenstift, ein billiges Zigarettenetui, eine Streichholzschachtel –, der zur Hälfte im Straßenstaub lag. Dann richtete Fen sich auf, versuchte im Bruchteil einer Sekunde die jeweilige Auffassungsgabe der drei vor ihm stehenden Menschen einzuschätzen, und sagte dann zu dem Lastwagenfahrer:
    »Gehen Sie durch die Tür auf dieser Seite des Lokals hinein. In einem kleinen Büro gleich links steht ein Telefon. Rufen Sie einen Krankenwagen. Sagen Sie, es handele sich entweder um eine Gehirnerschütterung oder einen Schädelbasisbruch. Und wenn der Notarzt hier noch etwas ausrichten will, muss er sich beeilen.«
    Der Mann – Fen sah, dass er jung war und vor Übelkeit zitterte – zögerte einen Moment, dann nickte er und lief mit schweren Schritten zum Gasthaus hinüber. Wieder kniete Fen neben Jane Persimmons nieder, um ihre Knochen von den Fußgelenken bis hinauf zu den Halswirbeln zu untersuchen. Wie er feststellte, waren außer ein paar Schrammen keine äußerlichen Verletzungen zu erkennen – trotzdem blieb die Möglichkeit innerer Blutungen bestehen … Verwundert runzelte er die Stirn. Der Zustand des Mädchens entsprach der Art des Unfalls. Fragwürdig waren nur die Umstände , unter denen er sich ereignet hatte. Der Lastwagen hatte sich keineswegs geräuschlos genähert, und der Fahrer hatte mehrfach gehupt …
    Über seinem Kopf begann die Frau zu sprechen, schüchtern und leise. »Ich weiß nicht, aber vielleicht wollen Sie das arme Ding ja in mein Haus bringen, Sir. Ich kann Ihnen beim Tragen helfen.«
    Fen lächelte schwach und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, wir dürfen sie nicht bewegen.« Er stand auf und klopfte sich ungeschickt die Hosenbeine ab. »Wir können nichts für sie tun, bis der Krankenwagen eintrifft.«
    Erfüllt von echtem Mitleid, das nichts mit blutrünstiger Neugier zu tun hatte, blickte die Frau auf das hübsche, ernste, mit Blut beschmierte Gesicht hinab, seufzte laut auf und nahm ihren halb leeren Wäschekorb mechanisch von einem Arm unter den anderen. Dabei hatte sie, wie Fen sah, im Gegensatz zu dem Lastwagenfahrer die Nerven nicht verloren. Vermutlich war sie recht fantasielos und aus diesem Grund eine verlässliche Zeugin. »Haben Sie den Unfall beobachtet?«, fragte er.
    Sie hatte. Während sie gerade im Garten beim Wäscheaufhängen war, hatte

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