Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
zurück, wendete und fuhr davon. Weniger als eine Minute später traf der Krankenwagen ein.
Der Notarzt und die Sanitäter hatten weder Zeit noch viele Worte zu verlieren. Schnell und routiniert luden sie das Mädchen ein und brausten davon, wobei sie nichts Tröstlicheres zurückließen als die Information, dass die junge Frau noch lebte. Mit aufreizender Bedächtigkeit nahm der Polizist, der sie begleitet hatte, Namen, Adressen und Aussagen auf. Der Lastwagen brachte ihn zurück nach Sanford Morvel, und Fen zog sich in den Gasthof zurück.
Er traf Myra allein in der Bar an, die angesichts des steten Vordringens der Renovierungsarbeiten baufällig und düster wirkte. Eben so, dachte Fen bei sich, musste das Haus Usher vor seinem vollständigen Untergang ausgesehen haben, oder M. P. Shiels alptraumhafte Copper Mansion auf der Insel Vaila … Wie sich herausstellte, wusste Myra von den Ereignissen noch gar nichts, hatte sie sich zum Zeitpunkt des Unfalls doch im Keller aufgehalten.
»Das arme Kind«, sagte sie voller Mitleid. »Eigentlich war sie nicht viel älter als ein Kind … Wissen Sie, ich hatte den Eindruck, dass sie seit dem Tag ihrer Ankunft hier bedrückt war. Sie schien besorgt, und irgendwie nervös.«
»Ja, das fand ich auch.«
»Ich nehme an, die Polizei wird ihre nächsten Verwandten benachrichtigen?«
»Ich denke schon«, sagte Fen.
Eine halbe Stunde später rief das Krankenhaus an, um sich nach Jane Persimmons’ Adresse zu erkundigen. Gegen neun Uhr erschien Superintendent Wolfe von der Polizeiwache in Sanford Morvel im Gasthof. Er war ein stämmiger, glatt rasierter Mann, der weniger Aufhebens um die Würde seines Amtes machte, als es bei der Polizei allgemein üblich ist. Nachdem er sich in Janes Zimmer umgesehen hatte, plauderte er über einem Drink mit Fen.
»Unser Problem ist«, sagte er, »dass sich hinter der von ihr angegebenen Adresse in Nottingham eine Pension verbirgt. Ich habe dort angerufen, aber sie wohnt erst seit einem Monat in dem Haus, und niemand konnte mir sagen, ob es noch Verwandte gibt oder nicht. Natürlich müssen wir irgendjemanden benachrichtigen, aber ich kann, verdammt noch mal, nicht herausfinden, wen.«
»Demnach fanden sich in ihren Taschen und in ihrem Koffer keine persönlichen Briefe?«
»Gar keine. Ein Tagebuch ohne Einträge ist alles, was ich finden konnte. Darin gibt es die übliche Seite mit persönlichen Angaben, und die übliche Zeile: ›Im Falle eines Unfalls bitte sofort benachrichtigen: …‹. Dahinter schrieb sie: ›Das nächste Krankenhaus‹, was einen gewissen Sinn für Humor beweist, uns aber nicht weiterhilft.«
»Und in ihrem Zimmer fand sich ebenfalls nichts?«
»Nichts. Ich bin noch nie zuvor jemandem begegnet, der komplett ohne Papiere ausgekommen ist. Immerhin fand ich das hier.« Wolfe zeigte auf eine kleine viereckige Kiste aus schwarzem Stahl, die er unterm Arm trug. »Aber sie ist abgeschlossen, und ich konnte keinen dazu passenden Schlüssel finden – was merkwürdig ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich befugt bin, sie aufzubrechen. Vielleicht höre ich ja bald von der Polizei in Nottingham; dort werden gerade ihre Habseligkeiten durchsucht … Sie wissen nicht zufällig, warum sie sich in dieser Gegend aufhielt?«
Fen schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«
»So wie alle anderen.« Wolfe leerte sein Glas. »Tja, ich sollte mich jetzt besser auf den Rückweg machen. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«
»Bevor Sie gehen, verraten Sie mir doch bitte noch, was die Ärzte über das Mädchen gesagt haben.«
»Gehirnerschütterung. Und sie wissen noch nicht, ob sie sich wieder erholen wird. Natürlich ist sie immer noch ohne Bewusstsein, und vermutlich wird das noch einen oder zwei Tage so bleiben. Unschöne Angelegenheit – und dass sie anscheinend selbst die Schuld daran trägt, macht es nicht besser … Ja, ja.« Wolfe nickte freundlich und ging.
Fen machte Myra ausfindig. Er sagte ihr, dass er heute Abend spät zum Gasthof zurückkommen oder vielleicht sogar bei Freunden übernachten und ganz wegbleiben würde.
»Na, dann werde ich Ihnen einen Schlüssel geben, mein Lieber«, sagte sie, »dann können Sie so spät wie Sie möchten den Seiteneingang benutzen. Jackie und ich werden ebenfalls lange wegbleiben – wir gehen tanzen.«
»Viel Vergnügen.«
»Ihnen auch, mein Lieber«, antwortete Myra. »Und grüßen Sie sie schön«, fügte sie scherzend hinzu.
»Leider ist es nicht, wie Sie
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