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Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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verstehen, wieso Sie nicht in der Lage sind, darüber zu urteilen, ob er gewalttätig ist oder nicht.«
    »Nun ja, so weit würde ich nicht gehen«, warf Boysenberry hastig ein. »Wenn man mich drängen würde, eine Diagnose zu stellen, würde ich sagen, dass er nicht gewalttätig wäre; aber nur, wenn man mich drängen würde«, wiederholte er, womit er seine Erklärung jeder Aussagekraft beraubte.
    »Nun, Sie können davon ausgehen«, sagte Fen, »dass ich Sie dränge.«
    »Ja … andererseits sollte man sich keineswegs festlegen. Die Öffentlichkeit hat Recht, wenn sie Verrückten logisches Denken unterstellt … und in diesem Sinne sind ihre Taten in gewissem Ausmaß vorhersehbar. Das einzig Ärgerliche daran ist, dass das Ergebnis beim logischen Denken immer von den Vorbedingungen abhängt, und weil Verrückte in der Lage sind, ihre Vorbedingungen alle zwei Sekunden zu ändern, können sie logisch und vollkommen unberechenbar zugleich sein. Zum Beispiel …«
    Doch Fen hatte an Beispielen kein Interesse. »Ja, ja, all das verstehe ich schon«, unterbrach er. »Es bringt uns an genau jenen Punkt zurück, an dem wir angefangen haben. Dürfte ich nun bitte hören, was Sie über Elphinstones Krankengeschichte wissen?«
    »Sicherlich. Sicherlich dürfen Sie das.« Bereitwillig ging Boysenberry zum Aktenschrank hinüber und zog eine pinkfarbene Akte hervor, die er vor sich auf dem Schreibtisch ausbreitete. »Ich glaube, alle relevanten Schriftstücke sind hier … Ja. So ist es. … Nun, erstens ist er der Sohn einer ganz normalen Familie aus dem Mittelstand. Soweit wir herausfinden konnten, existieren in der Familie keine früheren Fälle von Wahnsinn. Seine Kindheit und Jugend verliefen vollkommen normal, außer dass er im Alter von ungefähr sechs Jahren eine Fixierung auf Handschuhe entwickelte.«
    »Ah«, sagte Fen. Die Psychologen waren insofern benachteiligt, dachte er bei sich, als dass unter allen Fachjargons allein der ihrige dermaßen popularisiert wurde, dass er längst alles Beeindruckende verloren hatte. Ärzte konnten ihre Zuhörer immer noch mit Vorträgen über Ödeme und Ekchymosen in Staunen versetzen, Physiker glänzten mit Ausführungen über dielektrische Konstanten, Isotope und Photonenmasse, Chemiker imponierten mit Gerede von allotropischer Modifikation und multipler Equivalenz. Nur dem unglücklichen Psychologen mangelte es an professionellen Zauberwörtern, denn Trauma, Komplex, Fixierung und dergleichen waren lange schon durch allgemeinen Gebrauch ihres oberpriesterlichen Mysteriums entleert worden … »Eine Fixierung«, wiederholte Fen aufmunternd.
    »Deren Bedeutung, so leid es mir tut, nicht ganz klar ist«, fuhr Boysenberry fort. »Normalerweise würde man den Handschuh, weil er ja hohl ist, mit dem Mutterleib gleichsetzen.« Zweifelnd beäugte er Fen, so als könne er selbst kaum glauben, dieser könnte eine dermaßen groteske Annahme für bare Münze nehmen. »Doch selbst, wenn wir die Gleichsetzung vollziehen, hilft sie uns in diesem Fall nicht weiter«, gab er mit großer Aufrichtigkeit zu. »Sie müssen verstehen, dass unsere Wissenschaft trotz aller großen Fortschritte noch immer nicht in der Lage ist, jede einzelne Regung des menschlichen Verstandes zu erfassen und zu durchschauen.«
    Fen, der die reaktionäre Ansicht hegte, dieses Privileg sei dem Allmächtigen nie und nimmer abzuringen, versuchte nichtsdestotrotz, passenderweise ein verständnisvolles Gesicht zu machen. »Ganz richtig«, murmelte er hochachtungsvoll. »Wie dem auch sei, bei Elphinstones Fall interessieren mich die Symptome mehr als die Diagnose.«
    »Ah.« Boysenberry war sichtlich erleichtert. »Fahren wir also fort … Die Handschuhfixierung wurde von keinerlei anderer Abnormität begleitet, und so unternahmen die Eltern verständlicherweise nichts weiter dagegen. Alles war gut, bis Elphinstone die Universität besuchte. Dort studierte er Philosophie, Politik und Wirtschaft – und wie unsere Studien belegen«, sagte Boysenberry unbefangen, »führt die Beschäftigung mit diesen Fächern oft in die vollkommene geistige Umnachtung … Wie auch immer, das nur am Rande. Das erste wahrnehmbare Anzeichen einer Geistesstörung bei Elphinstone war seine wachsende Überzeugung, Präsident Woodrow Wilson sei der tiefgründigste politische Vordenker unserer und jeder anderen Zeit, eine Ansicht, die man, wie man mir bestätigte, allgemein als recht … äh … eigenwillig ansehen würde. In jedem Fall beharrte er auf

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