Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Diskretion vertrauen. Und lassen Sie mich Ihnen versichern, dass Sie nichts erzählen müssen, wenn Sie nicht möchten.«
»Ich glaube aber, es wäre besser für mich. Außerdem wäre es Ihnen gegenüber nicht fair, wenn ich es nicht täte.« Der Pfarrer hielt inne und holte tief Luft. »Sicher haben Sie«, sagte er, »von dem Pfarrhaus in Borley gehört?«
»So wie die meisten Leute, glaube ich. Und es gibt, wie ich finde, keine Zweifel daran, dass es dort auf die eine oder andere Weise spukte.«
»Es wurde«, sagte der Pfarrer, »über einen Zeitraum von mehreren Jahren gründlich untersucht.«
»Genau.«
»Jedenfalls werden die Bewohner kaum ihre Ruhe gehabt haben.«
»Vor dem Poltergeist ?«
»Nein. Vor den Wissenschaftlern.«
»Also, jetzt, da Sie es erwähnen, glaube ich auch, dass es recht lästig gewesen sein muss.«
»Versiegelte Türen«, sagte der Pfarrer. »Mikrofone. Nachtwachen. Sogar Seismografen, habe ich gehört.«
»Ich glaube kaum …«
»Aber Sie stimmen mir prinzipiell zu?«
»Prinzipiell inwiefern?«, fragte Fen unsicher, während er seinen Finger betrachtete.
»Dass diese Untersuchungen«, erklärte der Pfarrer geduldig, »sehr lästig gewesen sein müssen.«
»Nun ja, das schon, aber …«
»Eine Tatsache, die mir schon vor Jahren zu Bewusstsein gekommen ist.«
»Wirklich.«
»Sie verstehen, was ich sagen will?«
»Nein, es tut mir leid«, sagte Fen kopfschüttelnd.
Der Pfarrer seufzte. »Wissen Sie, es geht darum, dass ich einen Poltergeist beherberge – es gibt hier einen Poltergeist .«
Hätte er angeboten zu levitieren, Fen hätte kaum perplexer dreinschauen können.
»Wollen Sie damit sagen«, stieß er hervor, »dass die Kaffeetasse …«
»Von dem Poltergeist geworfen wurde. Ja.«
»Aber sind Sie denn sicher , dass Sie einen Poltergeist haben? Die natürliche Erklärung wäre doch …«
»Es existiert keine natürliche Erklärung, Professor Fen.«
»Vielleicht hat Ihre Haushälterin …«
»Nein, nein. Das Ding rumort selbst dann herum, wenn sie ganz sicher meilenweit entfernt ist.«
»Dann vielleicht ein Witzbold.«
»Ein Witzbold, der seit achtzehn Jahren ununterbrochen im Einsatz ist«, meinte der Pfarrer trocken, »ist meiner Ansicht nach weit weniger glaubwürdig als eine übernatürliche Erklärung.«
» Achtzehn Jahre ?«
»Ich bin seit achtzehn Jahren als Pfarrer hier, und der Anfang der Störungen fiel mit meiner Ankunft zusammen.«
Fen starrte ihn entgeistert an. »Aber haben Sie denn nie etwas dagegen unternommen?«
»Nun, am Anfang machte ich mir natürlich große Sorgen, und ich dachte darüber nach, beim Bischof die Genehmigung für einen Exorzismus einzuholen – natürlich erst, als ich sicher war, dass es keine Einbildung oder ein Scherz war. Die schlichte Wahrheit ist aber, dass ich mich nach einigen Wochen schon daran gewöhnt hatte.«
»Bemerkenswert«, sagte Fen etwas gezwungen.
»Wissen Sie, die Wahrheit ist, dass dieser spezielle Poltergeist – egal, wie der Fall bei anderen Poltergeistern liegen mag – mich und übrigens auch niemanden sonst im konventionellen Sinne jemals terrorisiert hätte. Materiell gesehen ist er schon ein Störfaktor, da er mit Sachen um sich wirft, die hinterher wieder aufgehoben und an ihren Platz zurückgestellt werden müssen. Aber die emotionalen Auswirkungen, die man für gewöhnlich mit derlei … äh … Gespenstern in Verbindung bringt, fehlen vollkommen. Obwohl das Ding also unbestritten lästig war, ungefähr so lästig, wie mangelhafte sanitäre Anlagen es wären, entschied ich schließlich, dass das Aufsehen, dass ich beim Versuch, es loszuwerden, unweigerlich auf mich ziehen würde, noch viel lästiger wäre. Darüber hinaus erwies sich mein Poltergeist als recht intelligent, sodass ich befürchten musste, er würde sich, käme es zu einer Untersuchung, während der Anwesenheit der Wissenschaftler einfach zurückhalten und so den Verdacht erregen, ich hätte den Verstand verloren. Alles in allem hatte es den Anschein, als sollte ich das Ding am besten in Ruhe lassen. Ich habe diese Entscheidung nie bereut.«
Fen musterte den Pfarrer einen Moment lang. Er suchte in seinem Gesicht nach einem Hinweis darauf, dass das Ganze ein ausgeklügelter Scherz war. Er konnte aber nichts dergleichen entdecken. Der Pfarrer mochte nicht ganz bei Trost sein – Ernst war es ihm allemal. Und es gab andere, recht gut belegte Fälle, überlegte Fen, in denen ein Poltergeist über Jahre hinweg aktiv war.
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