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Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Voosen
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nicht auf, will ich am liebsten aufjaulen. Es ist so einsam hier in meinem Hotelzimmer, und wann immer ich versuche, nicht an Simon zu denken, steht er wie der sprichwörtliche rosa Elefant in der Ecke.
    »Chrissy, warte«, flehe ich, »hast du nicht wenigstens einen Tipp, was ich machen kann, um nicht ständig an ihn zu denken?«
    »Hm. Hirntransplantation?«, schlägt sie vor.
    »Sehr witzig.« Mir ist jetzt überhaupt nicht nach dummen Scherzen zumute. »Was hast du denn gemacht, als Gregor dich damals verlassen hat?« Gregor, das war Chrissys Freund, bevor sie Daniel kennengelernt hat. Sie hatte monatelang Liebeskummer seinetwegen.
    »Da hilft nur eins: Rotwein«, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück.
    »Aber ich vertrage doch keinen Alkohol«, gebe ich zu bedenken.
    »Umso besser, dann wird’s nicht so teuer. Du, ich muss jetzt wirklich …«
    »Ja ja, schon gut«, sage ich hastig, »grüß deine Süßen, ja?«
    »So süß kann ich sie im Moment beim besten Willen nicht finden«, antwortet sie mit Galgenhumor. »Ich ruf dich an, Vivi, morgen, versprochen.«
    »Ja, danke.« Es klickt in der Leitung, und ich lasse langsam den Hörer sinken. Zehn Minuten nach zehn. Sekunden später erscheint Simon schon wieder in der Ecke des Hotelzimmers und sieht auf mich nieder. Er soll weggehen! Weg! Er trägt seine braune Cordhose und die Winterjacke. Dann plötzlich, wie von Zauberhand, steht er halbnackt da. In seiner grünen Unterhose. Je mehr ich mich bemühe, ihn mittels meiner Gedankenkraft verschwinden zu lassen, desto kontrastreicher und realer wird sein Bild. Es ist wirklich sehr schwer, bei diesem Anblick nicht zu heulen. Er verfolgt mich sogar bis ins Badezimmer, sieht mir zu, wie ich mich abschminke und meine Zähne putze. Nur in Unterwäsche stolpere ich ins Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und bemühe mich, schnell einzuschlafen.
    Um halb zwölf hat Chrissy gewonnen. Ich stürze zur Minibar, hole die kleine Flasche Rotwein daraus hervor, schenke mir das danebenstehende Glas randvoll und nehme es mit ins Bett. Dort sitze ich aufrecht, den Rücken an das Kopfkissen gelehnt, und nehme einen Schluck. Puh! Ist das eklig. Wie gesagt, ich vertrage keinen Alkohol. Ergo trinke ich nie welchen. Egal jetzt, runter mit dem Zeugs. Ich halte mir die Nase zu und stürze das Glas auf einmal hinunter. Zwinge mich, zu schlucken, obwohl mich schon ein Würgereiz überkommt. Ich leere das Glas bis zur Neige und setze es dann mit so viel Schwung auf dem Nachttisch ab, dass der Stiel abbricht. Vorsichtig lege ich die zwei Teile nebeneinander, damit sich niemand daran schneidet. Der bauchige Teil kullert über die Glasplatte. Ich greife danach, doch er entwischt meiner Hand und zerschellt auf dem Fußboden. So ein Mist! Ich sehe ein wenig stumpfsinnig auf die Bescherung und beuge mich dann hinunter, um die Scherben aufzuklauben. Als sich mein Kopf tiefer als mein Körper befindet, beginnt sich das Hotelzimmer zu drehen. Schnell richte ich mich wieder auf, doch der Raum beruhigt sich leider nicht. Jetzt bewegt er sich in wabernden Auf- und Abbewegungen, und mir wird plötzlich hundeelend. Während der Rotwein in meinem Bauch gluckert und droht, sich den direkten Weg zurück nach draußen zu bahnen, erscheint auch Simon wieder auf der Bildfläche. Gerade den wollte ich doch loswerden. Wie paralysiert sitze ich da und wage nicht, mich zu rühren, aus Angst, mich dann sofort übergeben zu müssen. Eine bleierne Schwere befällt meinen ganzen Körper, während mein Kopf immer leichter und leichter zu werden scheint. Ich fühle mich wie ein riesiges Eisengewicht mit einem Luftballon oben dran, der sich jetzt von seiner Schnur löst und in den tiefschwarzen Nachthimmel verschwindet.

Kapitel 4
    Ein ohrenbetäubendes Schrillen dringt an mein Ohr und reißt mich aus dem Schlaf. Mühsam hebe ich ein Augenlid. Halb liegend, halb sitzend befinde ich mich im oberen Drittel des Bettes, den tonnenschweren Kopf in einem seltsamen Winkel zum Körper gegen die Rückenlehne gepresst. Penetrant bimmelt ganz dicht an meinem Ohr das Telefon. Den Versuch, mich aufzurichten, gebe ich sofort wieder auf, als mich eine Welle von Übelkeit überschwemmt. So strecke ich blind meinen linken Arm unter der Decke hervor und fuchtele damit auf dem Nachttisch herum, bis ich gegen das Telefon stoße, das daraufhin krachend zu Boden fällt. Wenigstens hat es aufgehört zu klingeln.
    »Hallo, Frau Sonntag, dies ist Ihr Weckruf«, erklingt es schwach aus

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