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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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ist auch noch ein Tag!
    Und wenn Rolf am Abend zurückkommt, wird er mir bestimmt wieder wortreich erzählen, wie anstrengend die letzten beiden Tage für ihn waren und wie gut ich es dagegen habe. Nur das bißchen Haushalt…
7
    »Immer während der Tagesschau!« knurrte das Familienoberhaupt, als kurz nach acht das Telefon klingelte. Sven erhob sich aus seiner horizontalen Lage vom Teppich, schlurfte zur Tür und nahm mit einem gemurmelten »Komme ja schon« den Hörer ab.
    »Es ist Onkel Felix, und er sagt, es ist sehr wichtig!«
    »Dann hat er wieder irgendwas erfunden!« Rolf stemmte sich aus dem Sessel hoch und ging zum Telefon. Nach drei Minuten war er zurück.
    »Die kommen morgen«, verkündete er lakonisch.
    »Etwa alle?«
    »Alle!«
    »Für wie lange?«
    »Nur für einen Tag, dann wollen sie weiter, nach Italien. Felix hat eine Campingausrüstung gekauft, und die will er bei uns im Garten erst mal ausprobieren, bevor er sich damit in die Öffentlichkeit wagt. Ein neues Auto hat er auch.«
    »Der scheint ja mal was erfunden zu haben, womit er Geld verdienen kann«, mutmaßte Sven, »nicht so was Blödes wie die Gurkenmaschine.«
    Besagte Gurkenmaschine hatte mir Felix als Hochzeitsgeschenk überreicht mit dem Hinweis, es handele sich um ein handgearbeitetes Original und sei dementsprechend kostbar. Der Apparat hatte die Größe und auch ungefähr die Form eines riesigen Fleischwolfes und diente dem Zweck, Gurken zu hobeln. Vorausgesetzt, sie waren kerzengerade gewachsen und nicht dicker als höchstens 7 cm. Man steckte die Gurke in eine Art Trichter, drehte an einer Kurbel, die öfter mal abfiel, und unten kamen dann Scheiben verschiedener Stärke heraus. Außerdem war in Kauf zu nehmen, daß ein Drittel der Gurke entweder auf der Strecke blieb oder von Hand weiterverarbeitet werden mußte. Das eine Verfahren war zu teuer, das andere zu umständlich. Also kaufte ich mir einen handelsüblichen Gurkenhobel und verstaute das Monstrum irgendwo im Keller. Immer dann, wenn Felix seinen Besuch ankündigte, wurde es aus der Versenkung geholt, ich schrubbte die Patina monatelanger Dunkelhaft ab und stellte es mitten in die Küche, wo sein Erfinder es jedesmal liebevoll bewunderte.
    »Da kannst du mal sehen, was gute Handarbeit ist«, bekam ich regelmäßig zu hören, »überhaupt keine Verschleißerscheinungen!« Na ja, kein Wunder!
    Aber vielleicht sollte ich erst einmal erklären, wer Felix überhaupt ist. Mit vollständigem Namen heißt er Felix Waldemar Böttcher und ist ein Jugendfreund von Rolf. Die beiden hatten sich auf der Kunstakademie kennengelernt, wo sie so lange perspektivisches Zeichnen lernten, bis Rolf seine Liebe zum Journalismus entdeckte und absprang. Felix zeichnete noch eine Weile weiter, weil ihm nichts Besseres einfiel, aber als sein Professor ihm eines Tages eröffnete: »Hören Se auf damit, werden Se lieber Zahnarzt!«, packte auch Felix seine Stifte ein und verließ die Stätte der Musen, von denen ihn offensichtlich keine einzige geküßt hatte. Zahnarzt wollte er aber auch nicht werden, also wurde er Buchbinder. Im übrigen ist er ein Meister seines Fachs. Einige seiner Werke sind in unserem Bücherschrank zu bewundern. Ihr Inhalt ist weit weniger wertvoll als ihr Einband.
    Sein Meisterstück hat Felix geschaffen, als ihm einmal Rolfs zerfledderter Reisepaß in die Hände fiel. Damals hatten diese Dinger nur einen einfachen hellgrünen Pappdeckel, und wer seinen Paß häufig brauchte und darüber hinaus ein Gegner irgendwelcher schützender Hüllen war, hatte nach ziemlich kurzer Zeit fliegende Blätter in der Brieftasche. Diese fliegenden Blätter konfiszierte Felix und brachte sie zwei Tage später in weinrotes Saffianleder gehüllt wieder zurück. Die Vorderseite des Passes zierte in Goldprägung der Name des Eigentümers.
    Leider gab es jedesmal Schwierigkeiten beim Grenzübertritt. Die etwas verblüfften Beamten, denen ein deutscher Paß in dieser Form noch nie vorgelegt worden war, vermuteten hinter der Luxusausgabe entweder eine Fälschung, was ziemlich zeitraubende Untersuchungs- und Aufklärungsarbeiten erforderte, oder einen Diplomatenstatus, was entschieden vorteilhafter war. Diplomaten werden nicht kontrolliert, und die Zigaretten waren damals in der Schweiz weit billiger als bei uns.
    Manchmal hörten wir monatelang nichts von Felix, aber er war immer dann zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Er wurde unser Trauzeuge, er half bei den ersten drei Umzügen – vom vierten an

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