Mit geschlossenen Augen
müssen, aber wenn ich Nein sage, dann meine ich das auch so. Ich habe noch nie gekifft, ich tue es heute nicht, und ich bezweifle, dass ich es in Zukunft irgendwann tun werde. Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich brauche das nicht.«
Roberto klatschte mit den flachen Händen auf die Tischplatte. »Aber einen hübschen Anblick wirst du uns hoffentlich nicht verwehren ‒ setz dich!«
Ich setzte mich mit gespreizten Beinen auf den Tisch, die Pfennigabsätze meiner Stiefel ins Holz gebohrt, mein Geschlecht dem Anblick aller preisgegeben. Roberto rückte seinen Stuhl ran und stellte die brennende Kerze vor mich, um meine Scheide zu beleuchten. Er drehte einen Joint, richtete den Blick auf die glühende Spitze und dann auf mein Allerheiligstes. Seine Augen glänzten.
»Fass dich an«, befahl er mir. Da steckte ich langsam einen Finger in meine Wunde, und er ließ das Rauchen sein, um sich ganz der Betrachtung meiner Scham zu widmen.
Jemand kam von hinten, küsste meine Schultern, umschlang mich und presste mich an sich, wobei er versuchte, mit seinem Prügel in mich einzudringen. Ich war völlig wehrlos. Den Blick nach unten gerichtet, erloschen. Leer. Ich wollte nichts mehr sehen.
»He, Moment mal, so nicht ... Keine Penetration heute Abend, so war's abgemacht«, sagte Pino.
Der Barmann ging ins andere Zimmer hinüber und holte das schwarze Tuch von vorher. Dann wurden mir wieder die Augen verbunden. Eine Hand zwang mich in die Knie.
»Wir lassen jetzt den Joint kreisen, Melissa«, hörte ich Roberto sagen, »und jedes Mal, wenn ihn einer von uns in der Hand hat, schnippen wir mit den Fingern und tippen dir auf den Kopf, damit du weißt, dass du am Zug bist. Du lässt dich zu dem Entsprechenden hinführen und nimmst seinen Schwanz in den Mund, bis er kommt. Fünfmal, Melissa, fünfmal. Und ab jetzt wird nicht mehr gesprochen. Gute Arbeit.«
In meinem Mund vermischten sich fünf verschiedene Geschmäcke, fünf verschiedene Säfte von fünf verschiedenen Männern. Jeder Geschmack seine Geschichte, jeder Saft meine Schande. In jenen Momenten habe ich mich der Illusion hingegeben, der sexuelle Genuss stelle nicht nur etwas Fleischliches dar, sondern auch Schönheit, Freude, Freiheit. Während ich nackt vor diesen Männern kniete, fühlte ich mich wie in eine andere, unbekannte Welt versetzt. Aber später, als ich wieder in dem anderen Zimmer war, blutete mir das Herz, und ich verspürte eine unbeschreibliche Scham.
Ich ließ mich auf das Bett fallen und spürte, wie mein Körper langsam schwer wurde. Auf dem Schreibtisch des schmalen Zimmers sah ich den Display meines Handys blinken und wusste, dass sie mich von zu Hause anriefen, es war inzwischen halb drei Uhr früh. Unterdessen ging die Tür auf. Irgendwer kam rein, legte sich auf mich und begann mich zu bumsen; ein zweiter folgte und steckte mir seinen Penis in den Mund. Und wenn einer fertig war, entlud der Nächste seine milchige Flüssigkeit auf oder in meinem Körper. Und dann der Nächste. Keuchen, Stöhnen, Röcheln. Und stille Tränen.
Mit verschmierter Schminke und voller Sperma ging ich nach Hause, wo meine Mutter auf dem Sofa dösend auf mich wartete.
»Ich bin da«, sagte ich, »du kannst ins Bett, ich bin zurück.«
Sie war zu müde, um mir irgendwelche Vorhaltungen zu machen, nickte nur mit dem Kopf und schlappte ins Schlafzimmer. Ich ging ins Bad und betrachtete mich im Spiegel, aber ich sah nicht mehr das Mädchen, das vor ein paar Jahren entzückt sein Spiegelbild bewundert hat. Ich sah traurige, erbärmlich dreinblickende Augen, von denen schwarzer Lidstrich auf die Wangen floss. Ich sah einen Mund, der in dieser Nacht mehrmals vergewaltigt worden war und seine Frische eingebüßt hatte. Ich fühlte mich wie von winzigen Fremdkörpern befallen und beschmutzt.
Dann fuhr ich mir hundertmal mit der Bürste übers Haar, wie die Prinzessinnen in den Geschichten meiner Mutter, mit einer Vagina, die auch jetzt, mitten in der Nacht, während ich Tagebuch schreibe, noch nach Sex riecht.
4. Dezember 2001 12 Uhr 45
»Na, war's schön gestern Abend?«, fragte mich meine Mutter heute Morgen und übertönte mit ihrem lauten Gähnen das Pfeifen der Espresso-Maschine.
Ich zuckte mit den Schultern und sagte, es sei ein Abend wie alle andern gewesen.
»Deine Kleider hatten einen komischen Geruch«, meinte sie mit dem neugierig forschenden Blick, den sie immer hat, wenn sie andere anschaut, besonders natürlich mich.
Ich wandte mich erschrocken ab und biss mir auf
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