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Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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schwarzes Material, während ich mich langsam durch das Puzzle der Schädelarchitektur arbeitete.
    Ein Teilstück des Stirnbeins lief in vorstehende Augenbrauenwülste aus. Fragmente des Hinterhauptsbeins wiesen knollige Warzenfortsätze auf und den größten Halsmuskelansatz, den ich je gesehen hatte. Der Kerl musste einen Stiernacken gehabt haben.
    Der Passagier auf dem Rücksitz war eindeutig männlich gewesen. Keine umwerfende Erkenntnis. Larabee würde das auch bei seinem Postmortem feststellen.
    Weiter zum Alter.
    Ich ging zwei Schritte nach rechts und betrachtete die Schale mit den Zahnfragmenten.
    Wie Pflanzen schicken auch Zähne Wurzeln in ihre Höhlen, lange nachdem die Kronen das Zahnfleisch durchstoßen haben. Im Alter von fünfundzwanzig steht der Garten in voller Blüte, und die dritten Backenzähne, auch Weisheitszähne genannt, sind voll ausgebildet. Das ist dann, was die Zähne angeht, die Krone der Schöpfung. Danach geht’s nur noch bergab.
    Der Zahnschmelz des Passagiers war entweder zu bröselig, um ihn einordnen zu können, oder fehlte ganz. Dafür waren die Wurzeln, die ich sehen konnte, vollständig. Ich würde Röntgenaufnahmen benötigen, um die zu untersuchen, die in den Zahnhöhlen versteckt waren.
    Wie das Gebiss ist auch der Schädel noch nicht fertig, wenn der Storch seine Lieferung abgibt. Bei der Geburt sind alle zweiundzwanzig Knochen an Ort und Stelle, aber nicht verbunden. Sie treffen sich an vielfach gewundenen Linien, den so genannten Suturen oder Nähten. Im Erwachsenenalter füllen sich die Nähte, bis das Gewölbe eine starre Kugel bildet.
    Das heißt je mehr Geburtstagskerzen, desto glatter die Nähte.
    Nachdem ich die Schädelschwarte von den Knochenfragmenten gelöst hatte, konnte ich Teile der Nähte des Schädeldachs, des Hinterkopfes und der Schädelbasis betrachten.
    Die Basisnaht war verschmolzen. Die meisten anderen waren offen. Nur die Pfeilnaht, die oben am Schädel zwischen den Scheitelbeinen verläuft, zeigte Verknöcherung.
    Obwohl die Schädelverwachsung notorisch variabel ist, deuteten diese Befunde doch auf einen jungen Erwachsenen hin.
    Weiter zur Abstammung.
    Die Rassenbestimmung ist immer ein Problem. Bei einem zertrümmerten Schädel ist es eine eisenharte Nuss.
    Das obere Drittel des Nasenknochens befand sich noch an dem großen Stirnfragment. Sein Verlauf von der Mittellinie nach unten war spitzwinkelig, was dem Nasenrücken eine schmale, zulaufende Form gab, wie ein Kirchturm.
    Ich vertauschte das Stirnfragment mit einem Teil des Gesichtsknochens.
    Die Nasenöffnung war schmal, mit einer eingerollten unteren Kante und einem winzigen Dorn in der Mitte. Der Knochen zwischen dem unteren Nasenrand und der oberen Zahnreihe verlief, von der Seite betrachtet, gerade nach unten. Die Wangenknochen wölbten sich in weit ausladenden Bögen.
    Der spitz zulaufende Nasenrücken, der scharfe untere Nasenrand und der nicht vorstehende Unterkiefer deuteten auf europäische Abstammung hin.
    Die ausladenden Wangenknochen deuteten auf eine asiatische oder indianische Abstammung hin.
    Na toll.
    Zurück zu den Zähnen.
     
    Nur ein Schneidezahn hatte noch eine teilweise erhaltene Krone. Ich drehte ihn um. Die Rückseite war an der Stelle, wo der Schmelz aufs Zahnfleisch traf, leicht gefurcht.
    Ich starrte eben den Schneidezahn an, als Joe Hawkins den Kopf zur Tür hereinsteckte.
    »Sie machen ein ziemlich ratloses Gesicht.«
    Ich streckte die Hand aus.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob er schaufelförmig ist, aber irgend was kommt mir komisch vor.«
    Joe schaute den Zahn an.
    »Wenn Sie das sagen, Doc.«
    »Schaufelförmig« beschreibt eine leicht U-förmige Wölbung an der Zungenseite der mittleren vier Zähne. Schaufelförmige Schneidezähne sind normalerweise ein Indiz für asiatische oder indianische Herkunft.
    Ich legte den Zahn in die Schale zurück und bat um Röntgenaufnahmen der Unterkieferfragmente.
    Ich sah auf die Uhr. Ein Uhr vierzig.
    Kein Wunder, dass mir der Magen knurrte.
    Ich zog Handschuhe und Maske aus, wusch mir die Hände mit antibakterieller Seife und zog einen Labormantel über meine grüne Kluft. Dann ging ich in mein Büro und spülte einen Müsliriegel mit einer Dose Diet Coke hinunter.
    Während ich aß, überflog ich meine Telefonnachrichten.
    Ein Journalist vom Charlotte Observer.
    Skinny Slidell. Irgendwas wegen des Banks-Babys.
    Sheila Jansen. Sie hatte früh angerufen. Das NTSB arbeitet schnell.
    Der vierte rosafarbene Zettel machte mich

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