Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
beruhigen.
Ich klappte mein Schweizer Taschenmesser auf und zog erst einen, dann den zweiten Nagel heraus.
Larabees Stimme klang dünn und blechern aus dem Funkgerät, als würde sie aus einem fremden Sonnensystem kommen.
Ich drückte auf den Knopf und meldete meine Position.
Ich zog noch einmal an der Tür. Quietschend ging sie auf, und ein fauliger, erdiger Gestank drang heraus, als hätten tote Pflanzen und Abfall zu lange in der Sonne gelegen. Fliegen summten aufgeregt umher.
Ich hielt mir die Hand vor Mund und Nase und spähte hinein.
Fliegen tanzten in den Lichtstreifen, die durch die Spalten zwischen den Brettern hereinfielen.
»Na toll«, sagte ich. »Ganz fantastisch.«
11
Ich starrte in ein Plumpsklo.
Früher einmal hatte Chez toilette den letzten Stand der Technik für die Entsorgung menschlicher Ausscheidungen geboten: Insektenvernichtung, Toilettenpapier, einen schicken Einsitzer mit Klappdeckel.
Das war jetzt alles verschwunden. Übrig waren nur noch ein paar vertrocknete und verschrumpelte Streifen Fliegenpapier, eine verrostete Fliegenklatsche, zwei auf Sitzhöhe ins Holz geschlagene Nägel, ein Haufen zersplitterter Bretter und ein angeschlagenes und abblätterndes rosafarbenes Holzoval.
Am hinteren Ende der Hütte klaffte eine Grube in einer quadratischen Öffnung in den Bodenbrettern von einem guten halben Meter Kantenlänge.
Der Gestank war vertraut, er erinnerte an Zeltlager im Sommer, Nationalparks und Dörfer der Dritten Welt. Doch dieser war süßer, irgendwie weicher.
Im Geiste fügte ich den Flüchen, die Ryan und ich während unseres Rundgangs mit Boyd verbreitet hatten, noch einige hinzu.
»Scheiße!«, sagte ich laut, um meinen Gedanken Nachdruck zu verleihen.
Vor noch nicht einmal drei Monaten hatte ich bei einer Untersuchung bis zu den Ellbogen in einem Faultank gesteckt. Ich hatte mir damals geschworen, nie wieder durch Fäkalien zu waten.
Und jetzt das.
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
»Nicht sehr damenhaft.«
Larabee beugte sich über meine Schulter. Ich trat beiseite. Hinter uns frönte Boyd weiterhin der Raserei, und Ryan versuchte immer noch, ihn zu beruhigen.
»Aber völlig zutreffend.« Ich schlug nach einem Moskito, der auf meinem Arm frühstückte.
Larabee steckte den Kopf in die Hütte und zog ihn schnell wieder zurück.
»Könnte sein, dass Boyd nur wegen des Geruchs angeschlagen hat.«
Ich warf Larabees Rücken einen finsteren Blick zu.
»Könnte sein. Aber das sollten Sie überprüfen«, sagte ich. »Um sicherzugehen, dass da niemand auf Elvis Presley gepinkelt hat.«
»Hier drinnen hat schon eine ganze Weile keiner mehr auf irgendjemanden gepinkelt.« Larabee ließ die Tür zufallen. »Das letzte große Wasserspiel fand wahrscheinlich zu Eisenhowers Zeiten statt.«
»Irgendwas ist da faul.«
»Jap.«
»Vorschläge?« Ich wischte mir mit dem Handrücken Mücken vom Gesicht.
»Schaufelbagger.«
»Können wir uns zuerst das Haus ansehen und wenigstens versuchen zu schätzen, wann sich Farmer John ein Badezimmer zugelegt hat?«
»Wenn Sie auch nur einen menschlichen Knochen finden, dann lasse ich die Jungs von der Spurensicherung unters Waschbecken kriechen.«
Die siebte Schaufelladung forderte einen Mittelhandknochen zu Tage.
Seit drei Stunden arbeiteten Joe Hawkins, Ryan und ich in dem Außenklo. Eimer für Eimer gab die Grube ihre Schätze preis.
Diese Schätze bestanden aus Glas- und Porzellanscherben, Papierfetzen, Plastikstücken, verrosteten Utensilien, Tierknochen und Unmengen schwarzen, organischen Materials.
Der Baggerfahrer schaufelte, kippte die Ladung aus und wartete. Hawkins transferierte Knochen auf einen Haufen, Haushaltsmüll auf einen anderen. Ryan schleppte Eimer voller Kompost zu meinem Sieb. Ich siebte und stöberte.
Wir wurden immer optimistischer. Der skelettale Teil des Schatzes sah ganz und gar nicht menschlich und rein kulinarisch aus. Und im Gegensatz zu Boyds Entdeckung an der Hecke zu den McCranies haftete kein Gewebe mehr an den Knochen aus dem Plumpsklo.
Diese Tiere waren schon sehr lange tot.
Der Mittelhandknochen taucht um sieben nach drei auf.
Ich starrte ihn an und suchte nach etwas, das mir einen Zweifel gestatten würde.
Aber es gab keinen Zweifel. Der Knochen war Teil eines Daumens gewesen. Eines Daumens, mit dem man Autos anhalten, Spagetti aufwickeln, Trompete spielen und ein Sonett hatte schreiben können.
Ich gab auf und schloss die Augen.
Als ich Schritte hörte, öffnete ich sie
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