Mit Haut und Haar (German Edition)
Sie wirkte kühl. Aber sie war bleich wie die Wand, vor der sie saß. Daniel begleitete die beiden Herren an die Tür und wählte im Anschluss sofort die Telefonnummer der Polizeidienststelle.
»Herrn Meierhofer bitte«, sagte er.
»Herr Meierhofer ist heute nicht mehr Dienst«, sagte der Polizist am anderen Ende. »Kann ich ihm was ausrichten?«
»Wann ist er wieder im Dienst?«
»Morgen Vormittag.«
»Danke. Ich werde morgen früh bei ihm erscheinen. Vielleicht legen Sie ihm einen Zettel hin und sagen, dass ich angerufen habe. Daniel Ostermann. Schreiben Sie einfach, es wäre wieder etwas passiert, Herr Meierhofer ist mit der Sache vertraut.«
»Gerne«, sagte der Polizist. »Wenn es dringend ist, könnte ich Ihnen auch weiterhelfen.«
»Es ist nicht dringend«, sagte Daniel. »Danke schön.«
Er legte auf. Clarissa brach in Tränen aus und schluchzte hysterisch. Sie lief verzweifelt weinend an den Kindern vorbei, die mit leichenblassen Gesichtern im Flur standen und leider noch mitbekommen hatten, dass vor der Tür ein Leichenwagen stand und zwei schwarz gekleidete Herren ihre Eltern aufgesucht hatten. Clarissa konnte sich kaum noch beherrschen, sie fiel hysterisch weinend auf ihr Bett. Daniel beruhigte die Kinder und schickte sie ins Bett.
»Was ist hier eigentlich los?« hörte Clarissa ihren Sohn von unten brüllen. »Du hattest ne Freundin, Mama hatte auch irgendwas laufen, wir ziehen nach Köln, hier kommen anonyme Briefe rein, unser Hund wird vergiftet und jetzt kommt ein Leichenwagen um Mama abzuholen?«
»Woher weißt du das alles?« sagte Daniel laut.
»Weil ich nicht bescheuert bin!« brüllte Damian. »Ihr seid meine Eltern, ihr unterhaltet euch und wir kriegen mehr mit als ihr glaubt! Vielleicht redet ihr mal mit uns und erklärt uns mal was eigentlich los ist! Oder glaubt ihr, wir machen uns keine Sorgen?«
Clarissa kam wieder zu sich, als sie die lauten Worte ihres Sohnes hörte. Sie wischte entschlossen ihre Tränen ab und lief die Treppe nach unten.
»Ins Wohnzimmer«, sagte sie, und stieß ihren Sohn sanft hinein. Gleichzeitig griff sie nach Charlottes Hand, die eher verängstigt als wütend im Flur herumstand. »Familienkonferenz«, sagte sie energisch. Sie schnäuzte sich, wischte die Tränen aus dem Gesicht und griff dankbar nach dem Glas Cognac, das Daniel ihr reichte. Er hatte sich selbst auch einen Cognac eingeschenkt und setzte sich neben sie.
»Ich wollte nicht dass ihr das alles mitbekommt«, sagte Clarissa.
»Schon klar«, sagte Damian. Seine Augen funkelten wütend. »Schon klar dass ihr das nicht wolltet. Wir sind ja nur Kinder, nicht?« Er trat wütend mit dem Fuß gegen die Tischplatte und verschränkte trotzig die Arme über der Brust. »Leider haben wir es doch mitbekommen, das meiste jedenfalls!«
»Nein«, sagte Clarissa, und sie ignorierte damit seinen Tritt an den Tisch. »Ihr seid keine Kinder mehr, ihr seid fast erwachsen. Wir hätten mit euch reden sollen, aber wir hatten vor, euch eure kleine, heile Welt zu erhalten.«
»Unsere Welt ist nicht heil«, sagte Charlotte. »Wir haben gewusst, dass was nicht stimmt und dann haben wir euch belauscht. Sicher, das darf man nicht, aber wir haben es gemacht. Daher wissen wir, dass Papa eine Freundin hatte. Wir wollten wissen, warum du so traurig warst!«
»Wir wollten eine Erklärung«, sagte Damian, der offensichtlich nicht nur die Gesichtszüge seines Vaters geerbt hatte, sondern auch seine Art zu diskutieren. Jetzt, wo er älter wurde, zeigte sich die Ähnlichkeit immer deutlicher.
»Wir wollten eine Erklärung dafür, dass du dich nur noch zurückgezogen hast um zu malen, wir wollten wissen warum du so oft weinst, warum ihr so wenig miteinander redet! Wir wollten wissen, warum ihr nicht mehr knutscht und rumschmust so wie früher! Wir wollten wissen, warum Papa immer so schüchtern ausgesehen hat wenn er dich mal in den Arm genommen hat!«
»Ja, ich hatte ein Verhältnis mit einer anderen Frau«, sagte Daniel. »Aber es ist lange vorbei, es ist zwei Jahre her.«
»Wie konntest du so was nur machen!« rief Charlotte. Sie wirkte wütend, trotzig. »Charlotte«, sagte Daniel. »Deine Mama und ich sind nun achtzehn Jahre zusammen. Fast neunzehn Jahre sind es nun schon. Es gibt Dinge innerhalb einer Beziehung, die spielen sich ein, man wird älter, man wird fauler, und irgendwann fragt man sich ob man nun schon so uralt ist wie man sich fühlt oder ob man es noch bringt. Verstehst du was ich meine?«
»Na klar
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