Mit Haut und Haar (German Edition)
Büroschlüssel meine ich. Und immerhin hängt der Schlüssel vom Tresor mit dran. Ich dachte, das bringe ich Ihnen mal lieber schnell vorbei. Und außerdem hatte ich Sie heute Mittag noch gebeten, mir ein paar Briefe zu unterschreiben, das haben Sie dann wohl vergessen.«
Sie zog die Unterschriftenmappe unter ihrem Arm hervor und reichte sie Daniel. »Oh Entschuldigung, Andrea«, sagte Daniel. »Das tut mir wirklich leid. Ich hatte...ach, vergessen Sie es. Kommen Sie doch kurz rein, ich erledige das schnell.«
Andrea betrat das große Haus mit einem fast ehrfürchtigen Blick.
»Kommen Sie«, sagte Daniel, und er führte sie ins Wohnzimmer. Er nickte in Richtung Sofa und Andrea nahm Platz.
»Es ist wirklich sehr nett von Ihnen, dass Sie extra vorbeikommen.«
»Naja, den Schlüssel hätte ich verwahren können, aber die Unterschriften waren sehr wichtig.«
Während Daniel sich mit einem Kugelschreiber in der Hand der Unterschriftenmappe widmete, blickte sie sich um.
»Sehr schön haben Sie es hier«, sagte sie.
»Danke«, antwortete Daniel. »Das hat alles meine Frau eingerichtet. Ich habe für so was kein Talent.«
»Dachte ich mir.«
»Möchten Sie was trinken, Andrea?«
»Oh, ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«
»Kein Problem«, sagte Daniel. »Ich wollte eigentlich sowieso gerade was trinken, aber alleine macht das ja auch keinen Spaß.«
»Ist Ihre Frau nicht da?« fragte Andrea.
»Nein. Sie ist nach Frankfurt gefahren, mit den Kindern. Ich hab keine Ahnung wann sie zurückkommt.«
Andrea räusperte sich. »Hatten Sie ... hatten Sie Ärger?« Sie wirkte etwas schüchtern, als sie diese Frage stellte.
Daniel blickte auf. »Nicht direkt.« Er widmete sich wieder den Unterlagen.
»Daniel, denken Sie ich bekomme das nicht mit, wenn Ihre Frau alle zwei Wochen total aufgeregt im Büro anruft und Sie dann hinterher kaum ansprechbar sind?«
Er sah ihr direkt in die Augen, ein wenig verlegen, ein wenig forschend. Andrea wurde rot.
»Ich meine ... ich verbinde sie doch oft genug mit Ihrem Apparat. Daniel, ich bin Ihre Sekretärin, und Sekretärinnen kriegen manchmal mehr mit als sie möchten. Kann ich Ihnen helfen?«
Daniel seufzte, warf die Unterschriftenmappe auf den Tisch und holte zwei Gläser und die Cognacflasche aus dem Schrank.
»Ich nehme an, Sie trinken einen mit, ja?« fragte er, obwohl er schon am Einschenken war.
»Natürlich«, sagte Andrea. »Ich glaube, Sie müssen sich mal aussprechen. Und keine Sorge, ich kann schweigen.«
Daniel holte tief Luft. Langsam und bedächtig schenkte er den Cognac ein. Sie war wirklich nett, etwas anderes hätte er über sie nicht erzählen können. Ihr anfänglich so kaltes Wesen hatte sich gewandelt. Inzwischen war sie freundlich ihren Kollegen gegenüber, bewies sogar dass auch sie lächeln konnte und fachlich gab es an ihr ohnehin nichts auszusetzen. Unsicherheit, genau wie damals vermutet, war wohl der einzige Grund für ihr anfängliches Verhalten. An diesem Abend spürte er sogar so etwas wie Dankbarkeit in sich aufsteigen. Dankbarkeit dafür, dass sie einfach vorbeigekommen war und ihm jetzt ein offenes Ohr anbot.
»Wir werden seit Monaten tyrannisiert und wissen nicht wer dahinter steckt«, sagte er.
Er lehnte sich zurück und schien erleichtert, dass er sich mal aussprechen konnte, und zwar nicht mit seiner Frau sondern mit einem Menschen, den es nicht betraf. Andrea sah ihn fragend an, deswegen erzählte er einfach drauflos, was sich in den Monaten seit ihrem Einzug ereignet hatte.
»Und Sie haben keine Ahnung, wer es sein könnte?« fragte sie.
Daniel schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Und die Polizei tappt auch im Dunkeln, aber völlig. Sie finden die Dame nicht.«
Er stöhnte auf und stellte sein Glas auf dem Tisch ab.
»Jetzt ist Clarissa mit den Kindern nach Frankfurt gefahren zu einer ... zu einer Freundin. Sie fürchtet sich hier. Verständlicherweise.«
»Und wie soll das jetzt weitergehen?« fragte Andrea.
»Ich habe keine Ahnung.« Daniel stand auf und lief ans Fenster. Er belächelte sich selbst in diesem Moment ein wenig. Jetzt stand er in seiner Verzweiflung schon hier und unterhielt sich privat mit seiner Sekretärin, die er normalerweise in Gedanken niemals »Andrea« nannte, sondern von ihr nur als »der Eisblock« sprach. Sie versuchte zwar immer wieder zu lächeln, aber tatsächlich hatte Clarissa recht gehabt, als sie ihn darauf hingewiesen hatte, wie kalt diese Frau wirkte. Aber ihren Job machte sie
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