Mit Haut und Haar (German Edition)
nicht?« sagte Damian. »Ich denk schon dass Papa sauer sein wird, wenn er das hier erfährt.«
»Bestimmt«, sagte Charlotte. Um ihren Mund zeigte sich plötzlich ein trotziger Zug. »Aber weißt du was? Der soll sich nicht so anstellen. Mama hat ihm schließlich auch verziehen und ich finde, das was er gemacht hat, war noch ein Stück schlimmer. Er hatte seine Freundin viel länger und er hat nur Schluss gemacht weil Mama ihm auf die Schliche gekommen ist. Und im Moment geht es Mama nicht gut, ich finde es gut, dass wir jetzt hier sind. Patrizia kann Mama bestimmt weiterhelfen, und wenn es ihr dadurch einfach nur wieder besser geht.« Damian nickte. »Vielleicht hast du recht.«
Clarissa saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und starrte nachdenklich in den Kamin. Er brannte nicht. Aber es war ein seltsames Gefühl. Vor einem Jahr um diese Zeit hatte sie hier mit Patrizia wunderschöne Stunden verbracht. Hier im Wohnzimmer hatten sie sich nie geliebt, dafür hatten sie sich beide viel zu wohl in Patrizias Schlafzimmer gefühlt, aber sie hatten hier oft sehr lange gesessen und sich angeregt unterhalten, kleine Zärtlichkeiten ausgetauscht, etwas miteinander getrunken. Es waren schöne Erinnerungen. Sie schienen so weit weg, obwohl sie gleichzeitig doch so nah waren. Patrizia setzte sich neben sie.
»Ich glaube, den Kindern gefällt das Zimmer. Dein Sohn hat nicht schlecht gestaunt als er die Fitnessgeräte gesehen hat, ich denke, er wird mit Sicherheit das eine oder andere bald ausprobieren.«
»Kann nicht schaden«, lachte Clarissa. »Ich finde es sehr nett, wie du dich um die zwei bemühst.«
»Naja«, sagte Patrizia. »Ich hatte eigentlich nie was mit ihnen zu tun, aber jetzt wo ich sie so live erlebe, kann ich nur sagen, du hast sehr nette Kinder. Sie wissen sich zu benehmen und sind trotzdem sehr natürlich. Du kannst stolz auf sie sein.« »Danke«, sagte Clarissa. »Mein Mann nimmt es mir übrigens sehr übel, dass ich mit den Kindern zu dir gezogen bin.«
»Kann ich mir denken«, sagte Patrizia.
»Ich hätte es mir auch denken können, wahrscheinlich würde ich an seiner Stelle genauso reagieren. Aber ich bin dir sehr dankbar für dein Angebot, denn hier fühle ich mich ziemlich sicher. Und das sollte Daniel respektieren.«
»Ich fasse dich nicht an«, sagte Patrizia lächelnd, aber sie wirkte trotz des Lächelns ein wenig traurig. Clarissa griff nach ihrer Hand. Sie sah Patrizia nicht an, aber es war schön, ihre Hand in ihrer zu spüren, ihre Nähe zu spüren.
»Ich habe ihm gesagt, dass wir nur noch Freundinnen sind.«
»Aber das glaubt er natürlich nicht«, bemerkte Patrizia.
»Nein.«
»Das wirst du nicht ändern können. Entweder er vertraut dir oder – na ja, ich weiß auch nicht. In der derzeitigen Situation sollte er vielleicht lieber drüber nachdenken, dass du hier bei mir in Sicherheit bist, die Kinder auch, dass euch hier nichts passieren kann. Wer weiß, was noch alles auf euch zugekommen wäre. Ich möchte zu gerne wissen, wer so was tut.«
»Und ich erst«, sagte Clarissa. »Ich weiß nicht ob du dir vorstellen kannst wie ich mich fühle. Ich fühle mich so müde und so ausgebrannt. Und gleichzeitig bin ich so wach und kann nicht schlafen. Ich schrecke ständig aus dem Schlaf hoch, in der letzten Nacht habe ich das erste Mal seit Monaten wieder wirklich durchgeschlafen. Ich hab Angst. Hier nicht. Aber in unserem Haus in Köln war die Angst mein ständiger Begleiter. Und einsam war ich auch. Keine Freunde. Das wäre vielleicht gar nicht so sehr aufgefallen, wenn dieser ganze Terror nicht gewesen wäre. Ich bin es einfach gewöhnt, dass ich mit meinen Freunden sprechen kann, wenn es mir schlecht geht, aber mit meinem Umzug nach Köln habe ich irgendwie doch alles hinter mir gelassen. Sicher, wir haben noch gute Kontakte zu unseren Freunden, aber eben alles auf Entfernung. Man kann nicht mal schnell bei seiner Freundin auf einen Kaffee reinschneien. Besuche müssen gut geplant werden. Und letztlich hat jeder von uns ein so aufwendiges Leben, dass die Zeit dafür gar nicht da ist.«
Patrizia nickte. »Es ist dir also nicht wirklich gelungen, in Köln Fuß zu fassen.«
Clarissa lächelte müde.
»Patrizia, das Haus ist toll und der Garten wunderschön. Aber wenn ich den Garten sehe, muss ich an meinen Hund denken. Wenn ich im Haus bin, sehe ich die zwei Typen von dem Beerdigungsinstitut vor mir. Ich bin vielleicht zu sensibel, aber ich werde mich in diesem Haus nie wieder wohl fühlen
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