Mit Haut und Haar (German Edition)
schreibe ich ja recht gerne. Aber meistens Gedichte. Mein Traum wäre schon, eines Tages Zeit genug für einen Roman zu haben.« Ihr Gesicht bekam einen schwärmerischen Ausdruck. Clarissa mochte solche Menschen, Menschen, denen man die Begeisterung über irgendetwas an den Augen ablesen konnte. »Ideen habe ich ganz viele, aber leider wenig Zeit. Aber das ist mein Traum, einmal einen ganzen Roman zu schreiben. Und vielleicht sogar zu veröffentlichen? Das wäre schön. Aber an so was muss man wirklich dranbleiben. Nicht wie ich sich privat mal alle drei Tage an den Computer setzen und dann eher im Chat zu enden als sich in einem Manuskript zu vertiefen.«
Clarissa lachte. »Alles hat seine Zeit im Leben.«
»Ich mag kreative Menschen«, sagte Manuela.
In diesem Moment lief Andrea mit eisiger Miene an ihnen vorbei, in Richtung des Tisches, an dem sie gesessen hatte. Clarissa beobachtete wie sie dort nach ihrem Mantel und ihrer Handtasche griff.
»Gehen Sie schon?« rief Manuela ihr zu.
Andrea starrte mit ausdruckslosem Gesicht zu den beiden Frauen hinüber und nickte schließlich.
»Warten Sie mal einen Moment«, sagte Clarissa, die sich irgendwie genötigt fühlte, sich zu verabschieden. »Warum wollen Sie denn schon gehen?« fragte Clarissa die Sekretärin.
»Ach«, sagte Andrea. »Solche Partys sind nichts für mich. Ich hab mich sehen lassen und damit soll es gut sein.«
»Aha«, sagte Clarissa. Sie verstand die Welt nicht mehr. Sie selbst genoss diesen Abend in vollen Zügen, jedenfalls seit sie Bekanntschaft mit der Vertriebssachbearbeiterin geschlossen hatte, die ihr wirklich sehr sympathisch erschien.
Andrea atmete tief ein und versuchte ein Lächeln. »Ich kenne hier niemanden und finde das hier alles gerade ein bisschen schwierig.«, erklärte sie.
»Aber das ist doch Sinn und Zweck dieser Veranstaltung,« sagte Clarissa. »Ich hatte den Eindruck, dass das Betriebsklima hier sehr gut ist und die Kollegen sich untereinander recht gut verstehen. Dieser Abend ist doch eine schöne Gelegenheit, sich kennen zu lernen.«
»Mag sein«, sagte Andrea. »Mir liegt so was einfach nicht, so bin ich eben. Ich brauche mehr Anlaufzeit.«
Clarissa wandte sich mit einem kurzen Gruß ab und gesellte sich lieber wieder zu Manuela. Die hatte wenigstens Humor und strahlte nicht eine solche Eiseskälte aus.
Es war bereits weit nach Mitternacht, als sie neben Daniel im Auto saß auf dem Weg nach Hause.
»Sag mal«, fragte sie nachdenklich. »Deine Sekretärin.... nach welchen Kriterien hast du die eigentlich eingestellt?«
»Nur auf Grund ihrer Qualifikationen«, sagte Daniel. Er lachte. »Warum?«
»Weil diese Frau so was von steif ist, dass man glauben könnte, sie hätte einen Besenstiel verschluckt. Und sie zieht ein Gesicht dass man sich fragt, ob ihre Mundwinkel irgendwo festgenäht sind.«
»Ja«, sagte Daniel nachdenklich. »Sie ist sehr kühl, da hast du recht.« Er lachte. »Steif eigentlich, wie du richtig festgestellt hast.«
»Eigentlich sehr untypisch für dich, dass du dich für so jemanden entscheidest«, sagte Clarissa.
»Hm«, sagte Daniel. » Sie spricht fließend Englisch und Französisch, was für unsere Niederlassung sehr wichtig ist. Sie hat hervorragende Zeugnisse. Anhand dieser Zeugnisse konnte ich sehen, dass sie sehr zuverlässig ist und ihre Arbeit mehr als gewissenhaft erledigt. Ob sie nett lächeln kann oder Humor hat, interessiert mich eigentlich nicht.«
»Wie willst du an Unterschriften von Geschäftspartnern kommen, wenn diese Frau sie mit ihrem Gesicht einfriert?« fragte Clarissa amüsiert. »Mit gefrorenen Fingern schreibt es sich schlecht.«
»Ach«, sagte Daniel. »Ich denke, geschäftlich ist sie wirklich sehr gut. Sicher, es sind viele Bewerbungen eingegangen. Die Stelle war ja schon ausgeschrieben als der alte Chef noch da war, aber er wollte mir die Entscheidung überlassen. Schließlich muss ich ja mit ihr arbeiten. Es waren viele gute Mädels dabei. Aber mal ehrlich, von den Qualifikationen her war sie die Beste. Ihr Privatleben und sie als Mensch interessieren mich ungefähr so sehr wie ein Sack Reis, der in China umgefallen ist.«
»Hm«, räusperte sich Clarissa nachdenklich. »Wahrscheinlich hast du recht. Es kann mir ja auch egal sein.«
»Eben.«
Clarissa sagte dazu nichts mehr. Am Ende war ihr dieser Eisblock im Vorzimmer lieber als eine Sexbombe mit irgendwelchen Ambitionen.
-25-
Die Zeit verging wie im Flug. Clarissa war in den nächsten Wochen und
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