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Mit Haut und Haaren

Mit Haut und Haaren

Titel: Mit Haut und Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnon Grünberg
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überflüssig«, sagt er.
    »Aber das ist nicht, was ich dir sagen wollte.«
    Sie wühlt in ihrer Tasche.
    »Mein Mann hat eine andere Beziehung.«
    »Jason?«
    »Das ist mein Mann, ja. – Ich hab Reiswaffeln
für die Kinder dabei. Möchtest du auch eine?«
    Sie hält ihm die Tüte hin.
    »Da wirst du erleichtert sein, oder?«
    »Ja und nein«, antwortet sie. »Möchtest du nun eine Waffel oder nicht?«
    Er schüttelt den Kopf. »Woher weißt du das mit der anderen? Hat er es
erzählt?«
    »Nicht direkt. Aber als ich ihm vorschlug, uns zu [563]  trennen – gar nicht
ernsthaft gemeint, mehr als Provokation –, ging er begeistert
drauf ein. Er hat sogar schon eine Wohnung gemietet. Um sich von uns zu erholen,
wie er das nennt. Manchmal ist er auch mit den Kindern dort. Da können sie gut spielen.
Meint er.«
    »Was für eine Art Frau ist es?«, fragt er.
    »Die Neue von meinem Mann? Ein Mann ist es«, sagt sie. »So eine Art Frau.«
    »Ist ja witzig. Ich wusste gar nicht, dass
Jason schwul ist.«
    »Ich auch nicht.«
    Lea ruft ihre Kinder. Bietet ihnen eine Reiswaffel an, doch sie reagieren nicht.
    »Einmal hab ich ihm die Kinder in die neue Wohnung gebracht, und da sah
ich einen UPS -Boten heraushuschen. Als ich reinkam,
roch es nach Sex.«
    »Ein UPS -Bote?
So einer mit einer braunen Uniform?«
    »Ja. Der Freund von meinem Mann. Ein hübscher Junge, sehr attraktiv.
Der macht das garantiert nicht aus Liebe. Ich glaube eher, dass mein Mann ihn bezahlt,
als Sklave beim Sex.«
    Roland legt ihr die Hand aufs Knie.
    »Du darfst nicht alles gleich so verurteilen. Was zwischen erwachsenen
Menschen geschieht, ist etwas zwischen erwachsenen Menschen. Sei nicht so prüde.
Das ist das Angenehme an Ökonomen, die meisten sind Freigeister … Darum sind sie
auch so sympathische Kollegen.«
    Immer noch liegt seine Hand auf ihrem Knie. Wie an dem Abend in Frankfurt.
    »Ich will nicht, dass meine Kinder was von diesem [564]  Sexsklaven mitbekommen.
Einmal kam ich in die Wohnung, und das Bett war zerlegt.«
    »Wie meinst du das – ›zerlegt‹?«
    »Kaputt eben. Auseinandergebrochen.«
    »Tja.«
    »Bei mir ist ihm das Bett noch nie durchgekracht.«
    »Sex ist mit jedem Menschen anders. Außerdem darfst du dich nicht beschweren,
du bist zuerst fremdgegangen. Vielleicht hat er das gespürt und hat darum das Bett
in Einzelteile zerlegt. Mit wem anders.«
    Sie nimmt seine Hand von ihrem Knie. Sie kaut auf einer Reiswaffel. »Ich frage mich, ob ich irgendwas unternehmen sollte.
Zur Polizei gehen zum Beispiel.«
    »Erotik ist ein Spiel. Gönn anderen doch
ihren Spaß.«
    »Ich dachte, du könntest mir einen Rat geben«, sagt sie. »Die Sache liegt
mir im Magen. Ich hab Angst, dass ich all die Jahre mit einem Unbekannten verheiratet
war und dass der Dinge tut, die das Tageslicht scheuen müssen. Verstehst du, was
ich meine?«
    Sie schauen zu den Kindern.
    Lea würde ihn jetzt gerne küssen, nur um das Gefühl vom ersten Abend
wieder zu spüren.
    »Nein, eigentlich nicht«, sagt Roland nach einer Weile. »Aber sei nicht
so paranoid. Laisser faire, laisser aller. Lass den beiden
ihren Spaß.«
    »Jason meint, wir sollten zu einem Therapeuten. Er verhält sich sehr
widersprüchlich. Erst vögelt er mit einem UPS -Boten,
bis das Bett kracht, und dann sagt er, wir sollen in Beziehungstherapie! Ich frage
mich, ob er Viagra schluckt. Bei mir kriegte er kaum noch einen hoch.«
    [565]  Sie nimmt noch eine Reiswaffel und verzehrt
sie langsam.
    »Ist das eigentlich herzlos?«, fragt sie.
    »Was?«
    »Dass ich meinen Großvater bei deiner Mutter lasse. Das belastet mich
auch. Bin ich herzlos?«
    »Ich hätte dasselbe getan. Du hast Familie, zwei Kinder, dein Buch über
Höß, das muss fertig werden. Überleben ist nicht herzlos, es ist eine Pflicht. Übrigens machen die Kinder sich dreckig. Das Gras ist
ganz matschig.«
    »Ja, sie machen sich dreckig. Was soll’s? – Schläfst du mit dieser Studentin?«
    »Zu vernachlässigen.«
    »Und liebst du sie?«
    »Ich finde sie süß, ich mag sie. Aber es ist
zu kalt, noch sehr lange hier draußen zu reden.«
    »Ja«, sagt sie. »Es ist kalt.«
    Doch sie rühren sich nicht. Sie bleiben sitzen.
    »War ich eigentlich der Erste?«, fragt er. »Dein erster Seitensprung?«
    Sie tut, als suche sie etwas in ihrer Tasche. Nach langem Schweigen sagt
sie: »Um ein Haar. Fast. Fast wärst du der Erste gewesen.«
    »Wer war es?«
    »Irgendjemand. Jemand, den du kennst.«
    »Wer?«
    »Willst du das wirklich

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