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Mit Haut und Haaren

Mit Haut und Haaren

Titel: Mit Haut und Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnon Grünberg
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wissen?«
    »Ja.«
    »Sven Durano.«
    »Aber das ist kein Ökonom. Das ist ein Clown, ein [566]  Scharlatan. Ein
Mann, der meine Wissenschaft in Verruf bringt!«
    Sie nimmt seine Hand. »Aber Liebling, ich bin doch nicht mit ihm ins
Bett gegangen, weil er Ökonom ist, ich bin mit ihm ins Bett gegangen, weil er ein
Mann ist.«
    Da kann sie in Rolands Gesicht zum ersten Mal etwas sehen, was sie noch
nie darin entdeckt hat: Schmerz.

[567]  VII
    Der Rettungsschirm

[569]  1
    Das Universitätsblatt liegt aufP.W.F.M.
Verkerks Schreibtisch. Oberstein sieht, dass er Schlagzeilen gemacht hat, ja den
Aufmacher auf Seite eins darstellt, mit Foto. Er fragt sich, woher sie das Bild
haben. Die Überschrift lautet: »Korruption an der Universität
Leiden?«
    Wieder beeindrucken Oberstein die zwei Pflanzen
in Verkerks Büro, sie wirken noch einschüchternder als beim ersten Mal.
    »Eine schöne Bescherung«, sagt Verkerk. »Und das ist noch gelinde ausgedrückt.
Das ist keine Reklame für unser Institut, keine Reklame für die Fakultät, was sag
ich: keine Werbung für die gesamte Uni.«
    »Ich habe den Artikel noch nicht gelesen«, sagt Oberstein wahrheitsgemäß,
»aber ich kann mir schon vorstellen, was drinsteht.«
    »Vor kaum fünf Minuten hatte ich den Rector Magnificus am Apparat«, fährt Verkerk fort und streicht sich bedächtig
über den Schnurrbart, »ein außergewöhnlich umgänglicher und zurückhaltender Mann,
ich weiß nicht, ob du ihn mal kennengelernt hast. Er war außer sich. So habe ich
ihn noch nie erlebt. Er bekam einen Asthmaanfall.«
    »Das tut mir leid«, sagt Oberstein.
    »Natürlich richtet seine Wut sich nicht nur auf dich, sondern auch auf
den Burschen, der uns das alles [570]  eingebrockt hat. Den knöpfen wir uns auch noch
vor, verlass dich drauf.«
    »Ich kenne den Autor nicht«, sagt Oberstein. Er muss an den jungen Mann
denken, der ihn so an Prinz Willem-Alexander erinnerte. Sympathisch fand er ihn
nicht, doch nun überkommt ihn geradezu Mitleid. Jetzt wird der von Verkerk auch
noch zur Schnecke gemacht.
    »Wir befürchten«, sagt Verkerk, »dass die überregionale Presse Wind von
der Sache bekommt, und wenn die sich erst daraufgestürzt hat, kommt auch das Fernsehen,
und wenn das erst mal hinter der Sache her ist, dann ist das Ganze nicht mehr zu
stoppen, dann haben wir bald CNN vor der Tür.«
    »So schlimm wird’s schon nicht kommen«, meint Roland. »So wichtig ist
die Universität Leiden nun auch wieder nicht, ohne jemandem nahetreten zu wollen.«
    Verkerk wirft Oberstein einen gereizten Blick
zu und streicht sich wieder über den Schnurrbart.
    »Als wissenschaftlicher Direktor dieses Instituts
trage ich eine gewisse Verantwortung. Natürlich habe ich mit den anderen Professoren
Rücksprache gehalten. Als du hierher zu uns kamst, war ich sehr froh, ich sag das
ganz offen. Du hattest eine passable berufliche Vita,
ich konnte mir unsere Zusammenarbeit gut vorstellen. Ich habe dich als potentielle
Bereicherung für unser Team angesehen. Aber du hast dich entpuppt als ein …«
    Verkerk spricht seinen Satz nicht zu Ende.
    »Nun ja, wie auch immer«, sagt er, »jedenfalls erlege ich dir Sprechverbot
auf. Ich will nicht so weit gehen, dich völlig zu suspendieren, das könnte und dürfte
ich auch gar [571]  nicht ohne weiteres, aber ein Sprechverbot erlege ich dir auf. Ab
jetzt äußerst du dich in keiner Weise mehr über diese Universität. Nicht über unser
Institut, nicht über Saitoti, über gar nichts. Das war’s für den Moment. Hast du
noch was loszuwerden?«
    Eigentlich will Oberstein sagen: »Nein, nichts.« Doch er überlegt es
sich anders und antwortet so ruhig wie möglich: »Seit gut zehn Jahren korrigiere
ich Klausuren, und immer geschah das ohne Ansehen der Person. Ich schließe nicht
aus, dass ich mich auch mal geirrt habe, aber auch diese Irrtümer hatten nichts
mit der Person zu tun. Ich glaube, es ist eine Frage didaktischer Hygiene, wenn
der Dozent sich weigert, die soziale Stellung der Familie eines Studenten in seine
Überlegungen einzubeziehen und wie viele Gelder diese Familie der Universität zukommen
lässt. So sehe ich das, aber ich muss erkennen, dass der Rector Magnificus und der wissenschaftliche
Direktor dieses Instituts offenbar anders denken. Und
wo wir schon dabei sind, will ich noch sagen, dass ich es empörend finde, wenn diese Universität die Studenten auf der einen Seite
behandelt wie stumpfsinnige Konsumenten, geistig minderbemittelte Schäfchen,

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