Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
und hatte einen enormen Verschleiß an Freundinnen. Wenn sie zu lange darüber nachdachte, tat es ihr richtig weh. Also zwang sie sich, nicht über ihren Sohn ins Grübeln zu geraten. Sie versuchte zu akzeptieren, dass ihr Sohn – ihr kluger, gut aussehender, vor Potenzial nur so strotzender Sohn – mehr oder weniger ein Windei war. Vielleicht hatte sie als Mutter versagt. Aber wie dem auch sei, jetzt war es zu spät. Immerhin war er beinahe vierzig und ziemlich eingefahren in seinem Trott.
»Du hast mich gefunden«, seufzte Dottie. »Du kommst zu früh. Scotch?«
»Hole ich mir gleich selbst. Ich wollte gern mit dir sprechen.«
»Wie schön«, entgegnete Dottie. »Dein Fernbleiben zu Weihnachten machte eher den gegenteiligen Eindruck.« Es hatte sie gekränkt, dass er nicht nach Florida gekommen war, obwohl sie ihm sogar angeboten hatte, ihn mit ihrer Privatmaschine einfliegen zu lassen. Wyatt war alles, was ihr an Familie geblieben war, von ihrer spitznasigen Schwester Lydia mal abgesehen, einer vertrockneten alten Jungfer, die ihr Leben der Zucht Englischer Springerspaniels verschrieben hatte und sich strikt weigerte zu verreisen. »Nun ja, aber schön, dass du jetzt hier bist. Vielleicht kann ich dich ja überzeugen, dass du dich heute Abend ausnahmsweise anständig
benimmst. Mir ist nicht danach, mich blamieren zu lassen.«
»Was lässt dich denn annehmen, ich könnte dich blamieren?«
»Siebenunddreißig Jahre Erfahrung. Du weißt selbst, dass deine Manieren ein Graus sind, und das fällt nun mal auf die Frau zurück, die dich großgezogen hat.«
»Aber du kannst doch Margaret nicht die Schuld dafür in die Schuhe schieben.«
Dottie verdrehte die Augen.
Ihr Sohn setzte sich auf das Sofa und legte seine Füße in den handgenähten John-Lobb-Schuhen auf den Couchtisch. »Also, ich habe Neuigkeiten. Große Neuigkeiten. Harvard University Press verlegt mein erstes Buch. Alfred Kipling will es höchstpersönlich lektorieren. Ich habe gerade den Vertrag unterschrieben.«
Verblüfft schnappte Dottie nach Luft. »Wyatt, Herz, das ist ja wunderbar!« Konnte das wirklich wahr sein? Dottie hoffte inständig, dass es ihm diesmal wirklich ernst war und er Ziel und Zweck für sein Leben entdeckt hatte. Da erschien ihr plötzlich sogar ein einsames Weihnachtsessen nur halb so schlimm. »Also, dann erzähl mal, worum geht es denn?«
»Es ist ein anthropologisches Experiment, eins, bei dem die Auswirkungen von Veranlagung und Umwelteinflüssen auf den gesellschaftlichen Status untersucht werden sollen. Ich beschreibe den Aufstieg eines neuen Alpha-Weibchens. Momentan dreht sich bei mir alles nur noch um dieses Projekt. Und sollte mein Experiment Erfolg haben, dann wird das ein wirklich bahnbrechendes Buch.«
»Beobachtest du wieder Schimpansen? Menschenaffen?«
»Menschen. Du weißt doch, dass es mich schon immer fasziniert hat, wie sehr unser eigenes Verhalten das unserer
nächsten Verwandten unter den Menschenaffen spiegelt. Aber du wirst sie auch gleich selbst kennenlernen«, antwortete Wyatt. »Sie kommt mit Trip und Eloise.«
»Sie ?« Dotties Interesse verwandelte sich schlagartig in Beunruhigung. »Und sie kommt zu meiner Dinnerparty? Das muss ich auf der Stelle Graciela sagen.«
»Das habe ich schon gemacht. Ich glaube, Lucy wird dir gefallen. Sie ist zwar nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden, aber welche goldene Gabel sie wann benutzen soll, hat sie recht schnell begriffen, wenn man so will. Sie hat, wie soll ich sagen… Verve.«
»Verve« – aus dem Mund ihres Sohns konnte das alles bedeuten, unter anderem auch eine breite Palette eigenartigen Verhaltens, das so gar nicht zu einer Dinnerparty passte. »Das sieht dir mal wieder ähnlich, Wyatt. Bitte sag mir, dass sie nicht von Wölfen großgezogen wurde.«
»Nein, nein. Aber von einer alleinerziehenden Mutter aus dem Arbeitermilieu in Minnesota. Du brauchst dir wirklich keinerlei Sorgen zu machen. Ich feile schon seit Wochen an ihrem Benehmen, und so langsam scheint es zu fruchten. Wobei wir natürlich nicht mit Gewissheit sagen können, wie gut sie in ihrer neuen Rolle zurechtkommt, bis wir sie ins kalte Wasser werfen.«
Dottie spürte eine Migräne heraufziehen. »Ich verstehe überhaupt nicht, was du da redest, aber du solltest wissen, dass du dir den ungünstigsten Abend ausgesucht hast, den du nur konntest. Ein anthropologisches Experiment bei meiner Dinnerparty – also ehrlich, Wyatt! Zunächst mal, wo bitte soll ich sie
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