Mit Herz und Skalpell
vorm Explodieren stand.
Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, bewahrheitete sich Lindas Vorahnung. »Du bist doch nicht erst seit gestern dabei«, fuhr Alexandra Andreas an. »Hast du schon mal etwas von einem stumpfen Bauchtrauma gehört? Milzruptur nach Lenkradsturz?«
»Aber . . .«
»Rede dich nicht heraus«, schnitt Alexandra ihm lautstark das Wort ab. »Das ist absolute Routine. Das weiß jeder Anfänger. So etwas ist ein grober Fehler. Fahrlässigkeit. Und jetzt hol das Ultraschallgerät. Ich mache so lange mit Linda weiter.«
»In Ordnung«, meinte Andreas kleinlaut und verschwand. Es hätte ohnehin keinen Sinn gehabt, mit Alexandra zu diskutieren.
Alexandra rieb sich über die Schläfen. »Das kann doch wirklich nicht wahr sein. Warum predige ich hier eigentlich jeden Tag die einfachsten Dinge? Bei Andreas kommt nichts an.«
Linda konnte ihre Erschöpfung und Frustration beinahe selbst spüren. Ohne nachzudenken legte sie eine Hand auf Alexandras Arm: »Alexandra . . .«
Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Das Knistern in der Luft war nicht zu leugnen. Alexandra musste es doch auch wahrnehmen.
Doch Alexandra drehte sich abrupt von ihr weg. »Linda, nicht . . . bitte. Es geht nicht.« Entschlossen zog sie die nächste Akte aus dem Wagen. »Komm.«
Im nächsten Zimmer bekam Linda kaum etwas von dem mit, was Alexandra erzählte.
So konnte das wirklich nicht weitergehen. Sie musste ihre Gefühle besser unter Kontrolle haben, allein schon um ihren Job machen zu können – sonst würde es böse enden.
Draußen vor der Tür wartete bereits Andreas mit dem Ultraschallgerät. Alexandra griff danach und schob es in Herrn Opaternys Zimmer. Mit wenigen Handgriffen war das Gerät eingeschaltet. Alexandra rückte sich einen Stuhl zurecht und verteilte großzügig etwas von dem Gel auf dem Bauch des Patienten. »Kann bitte einer von euch die Vorhänge zuziehen?«, fragte sie dabei.
Andreas kam der Aufforderung nach, und bald war es in dem Zimmer dunkel.
Alexandra nahm den Schallkopf und hielt ihn links auf den Bauch des Patienten. Sobald das Bild auf dem Monitor erschienen war, bildeten sich tiefe Falten auf ihrer Stirn. »Habe ich es mir doch gedacht.«
»Ist etwas nicht in Ordnung bei mir?«, fragte Herr Opaterny besorgt.
»Sie haben sich bei Ihrem Unfall die Milz verletzt«, erklärte Alexandra und deutete auf den Bildschirm: »Man sieht hier etwas freie Flüssigkeit um die Milz herum. Das ist erst einmal nicht schlimm. Aber wir müssen Sie auf die Überwachungsstation verlegen und regelmäßig den Bauch schallen. Es kann sein, dass Ihre Milz gerissen ist. Wenn das schlimmer wird, könnte es sein, dass wir Sie operieren müssen. Um ganz sicherzugehen, müssen wir Sie deswegen etwas intensiver bewachen.«
»Oh«, war alles, was der Patient erwiderte. Seinem Gesichtsausdruck war anzusehen, dass ihn diese Nachricht ängstigte.
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Linda legte ihm beruhigend eine Hand auf den Unterarm. »Das ist erst mal nur eine reine Vorsichtsmaßnahme. Solche Verletzungen sind nicht selten.«
Alexandra bekräftigte: »Frau Doktor Willer hat recht. Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen – wir passen auf Sie auf.« Dann wandte sie sich an Linda: »Organisierst du bitte die Verlegung?«
Linda nickte und verließ das Zimmer, das Telefon bereits in der Hand.
Wenig später traf sie mit dem Patienten auf der Überwachungsstation ein. Dort begrüßte sie Yvonne, die auf dieser Station derzeit für die chirurgischen Patienten zuständig war: »Hallo, Linda. Und Sie sind Herr Opaterny, nehme ich an.«
Der junge Mann, der etwas blasser als am Morgen in seinem Bett lag, nickte.
Yvonne lächelte aufmunternd. »Guten Tag. Ich bin Frau Doktor Hübner. Ich werde mich jetzt um Sie kümmern.« An die Schwester gewandt, die Linda begleitet hatte, fügte sie hinzu: »Du kannst ihn nach Zimmer zehn fahren. Schwester Susanne erwartet euch bereits.«
Die Schwester schob das Bett weiter, und Linda blieb mit Yvonne allein zurück.
»Na, so fängt der Montagmorgen ja gut an«, lachte Yvonne. »Was ist denn passiert?«
Linda fasste den Fall von Herrn Opaterny kurz zusammen.
»Da wird Alexandra ja wieder mal einen ihrer legendären Auftritte hingelegt haben, oder?«, mutmaßte Yvonne grinsend.
Linda zuckte mit den Schultern. »Na ja.« Auf ein Gespräch über Alexandra hätte sie eigentlich gern verzichtet.
Yvonne ließ sich jedoch nicht so leicht von diesem Thema
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