Mit Herz und Skalpell
Frederike, nachdem sie einen ersten Bissen von ihrer Pizza Funghi probiert hatte.
Linda rollte eine Gabel voll Spaghetti auf. »Ich bin zumindest dabei, eine zu werden. Ich habe erst vor einigen Monaten mein Studium beendet und angefangen zu arbeiten.«
»Das ist bestimmt sehr aufregend.« Frederike sah Linda interessiert an.
Linda zuckte mit den Schultern. »Es gibt solche und solche Tage . . .« Bilder von der gelungenen Operation der Milzruptur blitzten plötzlich durch ihren Kopf. Und damit auch von Alexandra. Ihr Herz schlug schneller, sie konnte es nicht verhindern. Hastig griff sie nach ihrem Wasserglas und nahm einige tiefe Züge, bevor sie sich wieder ihren Spaghetti zuwandte.
»Linda ist nicht sehr gesprächig, wenn es um die Arbeit geht«, warf Janne ein und knuffte Linda in die Seite. »Ist doch so?«
Das warnende Funkeln in Jannes Augen zwang Linda zu einem Nicken. Dabei lag ihre Schweigsamkeit nur daran, dass alle Gespräche über die Arbeit über kurz oder lang bei einer Frau endeten. Bei der Frau, an die Linda doch wenigstens heute Abend nicht denken wollte.
»Wie läuft es denn bei dir in der Bank?«, versuchte nun Janne das Gespräch mit Frederike wieder in Gang zu bringen.
Mit leicht geröteten Wangen erzählte Frederike von ihrer Arbeit und schließlich auch von ihren Hobbies. Linda musste sich sehr zusammenreißen, um zuzuhören. Meistens war es Janne, die nachhakte oder Kommentare abgab.
»Ich verschwinde mal kurz«, meinte Frederike schließlich. »Bin sofort wieder da.«
Kaum war Frederike außer Hörweite, war Janne nicht mehr zu bremsen. »Mein Gott, du benimmst dich wirklich unglaublich!«
»Warum?«
»Warum? Du fragst allen Ernstes, warum?« Jannes Augen sprühten. »Du machst nicht im Entferntesten den Eindruck, als würde dich irgendetwas von dem, was Frederike erzählt, interessieren. Du schaltest einfach ab und überlässt mir die Konversation. Da könnte sich Frederike auch mit ’nem Eisberg unterhalten. Das hätte mehr Charme.«
Linda seufzte betreten. »Ist es tatsächlich so schlimm?«
»Schlimmer.«
Verflixt. Sie wollte doch überhaupt nicht desinteressiert oder gar abweisend sein. Das hatte Frederike wirklich nicht verdient.
»Magst du Frederike nicht?«
»Doch«, beeilte sich Linda zu sagen. »Sie ist wirklich nett. Aber . . .« Sie stockte und starrte auf die Tischplatte.
Janne packte mit energischem Druck ihre Hand. »Fang jetzt bloß nicht wieder mit deiner Oberärztin an. Lass dir doch von ihr nicht alles kaputtmachen.«
Linda seufzte abermals. »Aber ich kann doch auch nichts dazu, dass ich andere mit ihr vergleiche. Unwillkürlich. Ihr Äußeres, ihre Gesten, die Art, wie sie spricht . . .«
»Jetzt bekommen deine Augen wieder dieses Strahlen«, bemerkte Janne. »Ich hätte mir für dich gewünscht, dass sie das bei Frederike auch hätten.«
In diesem Moment kam Frederike von der Toilette zurück. Ja, Janne hatte recht: Linda empfand nicht das Geringste für Frederike. Nicht, dass sie dazu neigen würde, sich direkt beim ersten Aufeinandertreffen zu emotionalen Ausbrüchen hinreißen zu lassen. Doch sie spürte keinerlei Anziehung, kein vielversprechendes Prickeln. Als einfache Freundin konnte sie sich Frederike gut vorstellen, aber . . . eine Beziehung? Nein, das passte nicht.
In ihrem Herzen war nur Platz für eine Frau. Dieser Platz war längst besetzt. Und die Besetzerin ließ sich nicht vertreiben.
Alexandra war die Frau ihrer Träume.
Die Erkenntnis traf sie mit ungeahnter Kraft.
Aber es war die Wahrheit, das wusste sie mit absoluter Gewissheit. Niemand konnte Alexandras Platz einnehmen, egal, wie sehr sie sich darum bemühte.
»Ich glaube, ich brauche einen Schnaps«, erklärte Linda mit rauer Stimme.
Janne sah sie mit großen Augen an. »Einen Schnaps? Ist alles in Ordnung bei dir?«
»Ja . . . nein . . .« Wenn man die glasklare Einsicht einer unmöglichen Situation in Ordnung fand, dann schon.
»Ich bestell uns drei Grappa«, verkündete Frederike und war bereits auf dem Weg zur Theke.
»Bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen?« Besorgt legte Janne eine Hand auf Lindas Stirn. »Fieber hast du jedenfalls nicht.«
Linda sah sie fest an und erklärte: »Ich muss um Alexandra kämpfen.«
Jannes Augen weiteten sich noch ein bisschen mehr, wenn das überhaupt möglich war. »Ah ja.«
»Mein Herz gehört ihr«, sagte Linda ruhig. »Ich darf meine Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen, sonst werde ich
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