Mit Herz und Skalpell
Nacht hätte nicht größer sein können.
»Linda, bitte setz dich. Ich denke, wir sollten reden.«
Lindas Magen zog sich zusammen. Gespräche, die so anfingen, nahmen meistens kein gutes Ende. Sie goss sich eine Tasse Kaffee ein und folgte dann gehorsam Alexandras Aufforderung. »Worüber müssen wir denn reden?«, fragte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme.
Alexandra legte die Blätter Papier, die sie noch in der Hand hielt, beiseite. »Ich habe darüber nachgedacht, wie es weitergehen soll. Mit uns . . . Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich nicht der Typ für ernsthafte Beziehungen bin.«
»Ja, das stimmt.« Linda kaute auf ihrer Unterlippe. Das unangenehme Ziehen in ihrem Bauch verstärkte sich. Was hatte das zu bedeuten? War alles zu Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte?
»Nicht, dass du das falsch verstehst«, fuhr Alexandra fort. »Es war wirklich schön mit dir. Aber ich glaube, ich kann dir mehr nicht bieten.« Sie suchte Lindas Blick. »Vor allem im Moment nicht.«
»Ich verstehe«, erwiderte Linda leise. Aber in Wahrheit verstand sie gar nichts. Erst stieß Alexandra sie fort, dann lockte sie sie, nur um sie dann wieder wegzustoßen . . . wer sollte da noch mitkommen? Das Ziehen wurde so schmerzhaft, dass sie das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie tonlos.
»Das kann ich dir nicht sagen. Wir sollten es einfach auf uns zukommen lassen und abwarten.«
Linda nickte schwach. Ihr war klar, dass sie keine andere Wahl hatte. Auch wenn der Gedanke, alles auf unbestimmte Zeit in der Luft hängen zu lassen, sie fast wahnsinnig machte. Ihre Vorstellung von einer Beziehung war definitiv eine ganz andere, und vor allen Dingen eins: verbindlich.
»Und auf der Arbeit«, setzte Alexandra hinzu, »wird sich nichts ändern zwischen uns. Das, was geschehen ist, muss unter uns bleiben.«
Zu Lindas Enttäuschung gesellte sich eine gute Portion Ärger. »Für wie naiv hältst du mich eigentlich? Ich bin doch nicht blöd und binde sofort jedem auf die Nase, dass ich die vergangene Nacht mit dir verbracht habe.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Hört mal alle her: Alexandra ist wirklich eine Granate im Bett.«
Auf Alexandras Stirn bildete sich eine tiefe Falte. »So war das nicht gemeint. Ich habe einfach nur Angst, dass jemand falsche Schlüsse ziehen könnte.«
Der Rest des gemeinsamen Frühstücks verlief schweigend. Die ausgelassene und vertraute Stimmung vom Abend zuvor schien restlos verflogen.
Zur Arbeit fuhren sie getrennt, jede in ihrem Auto. Dennoch kamen sie fast zeitgleich im Parkhaus an.
»Soll ich noch eine Weile in meinem Auto warten, bevor ich reingehe?«, fragte Linda. Es war witzig gemeint, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme schroff klang.
Alexandra seufzte. »Jetzt sei nicht albern. Komm.«
Fast tat der verunglückte Scherz Linda leid. Aber Alexandra konnte ruhig wissen, dass sie sie verletzt hatte.
Nebeneinander, aber ohne ein weiteres Wort gingen sie den Gang vom Parkhaus ins Krankenhaus entlang. Da näherten sich Schritte hinter ihnen.
»Ach, was eine schöne Überraschung, so früh am Morgen«, flötete Melanie. »Süß, jetzt kommt ihr sogar schon gemeinsam zur Arbeit.«
Wenn Blicke töten könnten, hätte Melanie in diesem Augenblick keine Chance gehabt. Alexandras Miene war beinahe furchterregend.
Melanie blieb davon jedoch völlig ungerührt. Sie grinste Alexandra an. »Es ist ja wirklich nicht deine Gewohnheit, zu zweit zur Arbeit zu kommen. Zumindest den Schein wahren . . . Ist es nicht so?«
Linda verstand nicht, worauf Melanie da anspielte. Aber Alexandra schien sofort im Bilde zu sein.
»Komm nachher in mein Büro«, sagte sie kühl, sichtlich um Beherrschung bemüht. »Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen.«
»Wird auch Zeit«, meinte Melanie. »Bis nachher.« Sie nickte Alexandra zu, beschleunigte ihre Schritte und eilte an den beiden vorbei.
»Was ist eigentlich los zwischen euch?«, fragte Linda, als Melanie außer Hörweite war.
Doch wenn sie gehofft hatte, dadurch mehr zu erfahren, hatte sie sich getäuscht. Alexandra schüttelte nur den Kopf. »Nichts. Sie hat ein persönliches Problem mit mir. Halt am besten einfach Distanz zu ihr.« Damit war für sie das Thema erledigt.
~*~*~*~
» H ey, Linda.« Karina hatte sich hinter ihr in die Schlange an der Essensausgabe eingereiht. »Euch Chirurgen kriegt man ja kaum zu Gesicht.«
»Wir können ja auch
Weitere Kostenlose Bücher