Mit Herz und Skalpell
nicht immer so lange Mittagspause machen wie ihr Neurologen.« Linda grinste ihre Freundin an.
Karina zuckte verschmitzt lächelnd mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
Kurze Zeit später saßen sie einander gegenüber und begannen zu essen.
»Wie läuft es denn bei dir?«, fragte Linda.
Karina schluckte einen Bissen hinunter. »Sehr gut. Langsam habe ich das Gefühl, ich weiß auf der Station, was ich tue. Und ich bin gerade dabei, mich in ein neues Forschungsgebiet einzuarbeiten.«
Linda war beeindruckt. »Tatsächlich? Wie hast du Zeit für so was?«
»Eigentlich gar nicht. Nach Feierabend.« Karina trank einen großen Schluck Wasser.
»Du warst schon immer ehrgeizig«, meinte Linda.
»Ach, eigentlich gar nicht. Wissenschaft macht mir einfach Spaß. Du solltest es auch mal probieren, in eurer Klinik wird doch auch viel geforscht.«
»Das würde meinem Vater gefallen.« Linda zog ein Gesicht. Und nicht nur ihm . . . »Aber für mich ist es einfach nichts. Und meine Freizeit ist mir viel zu heilig, als sie im Labor zu verschwenden.«
»Für mich ist es keine Verschwendung. Ich mache es gern.« Karina schnitt ein Stückchen von ihrer Frikadelle ab. »Und wie geht es dir?«
Linda konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. »Ebenfalls sehr gut. Es macht mir hier viel Spaß.«
»Ah ja?« Karina musterte sie interessiert.
Linda nickte. »Entgegen einigen Behauptungen ist das Arbeitsklima ziemlich gut bei uns.«
»Ist das so?«, fragte Karina mit unverkennbar spöttischer Miene.
Ein ungutes Gefühl überkam Linda. Worauf spielte ihre Freundin an?
Karina zwinkerte ihr zu. »Ich habe gehört, du verstehst dich neuerdings sehr gut mit deiner Oberärztin. Euer Verhältnis soll sehr . . .« Sie machte eine vielsagende Pause. ». . . Intensiv sein.«
Linda blieb beinahe ihr Reis im Hals stecken. »Wie bitte?«
Karina betrachtete sie aufmerksam. »Ist da was dran?«
»Wer erzählt denn so etwas?«
»Der eine oder andere. Du weißt doch, wie das ist. Irgendjemand sieht euch, denkt sich seinen Teil, und schon ist ein Gerücht entstanden.« Beiläufig zuckte Karina die Achseln und aß weiter.
Aber Linda war der Appetit vergangen. »Was für ein Gerücht?«, fragte sie, schärfer als beabsichtigt. Dass solche Behauptungen die Runde machten, hatte ihr gerade noch gefehlt.
Karina legte einen Zeigefinger an die Lippen. »Nicht so laut.«
»Entschuldige«, murmelte Linda. »Ich kann nur kaum glauben, was du da andeutest.«
»Ich wollte dir damit nur sagen: Pass auf dich auf. Ich will nicht, dass du ins Kreuzfeuer gerätst.« Karina senkte die Stimme. »Und ich wünsche dir auch nicht, dass du am Ende nur eine von vielen auf ihrer Liste bist.«
»Eine von vielen?«, wiederholte Linda.
»Na ja, du weißt ja, was man über sie sagt. Sie soll nichts anbrennen lassen und so.«
»Das sind doch alles Gerüchte.« Linda legte ihr Besteck zur Seite. »Wer weiß, was da wirklich dran ist. Du hast mir doch gerade selbst erklärt, wie schnell Gerüchte hier entstehen.« Ihr Herz raste, aber sie zwang sich zur Ruhe. Wer wusste schon, ob das, was man über Alexandra sagte, irgendeinen wahren Hintergrund hatte? Über Alexandra und sie war ja anscheinend auch schon getratscht worden, bevor sie tatsächlich . . . Ehe sie rot werden konnte, sprach sie rasch weiter: »Ich kann mir kaum vorstellen, dass Alexandra –«
Das Klingeln ihres Telefons unterbrach sie.
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Linda und nahm ab.
Alexandra kam direkt zum Punkt. »Entschuldige meine Art von heute Morgen. Ich . . . Du musst wissen, ich habe keine Erfahrung mit . . .« Sie stammelte regelrecht. »Also, mit so etwas.«
Fast hätte man meinen können, Alexandra sei verlegen. Eine Welle von Zuneigung durchströmte Linda.
»Schon vergessen.« Sie flüsterte, damit möglichst niemand etwas mithören konnte.
»Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen?«
Lindas Herz machte kleine Freudensprünge. »Gern.« Es würde doch alles gut werden.
Alexandra nannte ihr Adresse und Uhrzeit.
Nachdem Linda aufgelegt hatte, sagte Karina: »So, ich bin fertig. Und versprich mir, dass du wirklich auf dich aufpasst. Ich möchte nicht, dass dir jemand wehtut.«
»Ich verspreche es.« Aber Linda war sich nicht sicher, ob sie noch auf sich aufpassen konnte. Oder ob es dafür nicht längst zu spät war.
~*~*~*~
L inda war vom Kellner an den reservierten Tisch geführt worden.
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