Mit Herz und Skalpell
Nun saß sie hier und wartete auf Alexandra. Der Italiener, den Alexandra ausgesucht hatte, war sicherlich eins der besseren Restaurants der Gegend. Das ließen schon das elegant gekleidete Servicepersonal und die exquisite Dekoration vermuten.
Zwar hatte Linda extra eine weinrote Bluse und eine schwarze Hose ausgewählt statt ihrer üblichen Jeans, weil sie schon vermutet hatte, dass Alexandra sie nicht einfach irgendwohin einladen würde. Aber dennoch hatte sie das Gefühl, nicht richtig in dieses Restaurant zu passen.
Bei Alexandra war das ganz anders. In dem Moment, als die Tür aufging und sie eintrat, stockte Linda der Atem. Wäre sie nicht längst rettungslos in Alexandra verliebt gewesen, wäre es spätestens jetzt um sie geschehen. Mit ihren schwarzen, hochhackigen Schuhen war Alexandra noch ein Stückchen größer als ohnehin schon, und ihre Beine wirkten in der dunklen Stoffhose endlos. Nachdem sie ihren schwarzen Mantel an die Garderobe gehängt hatte, blieb Lindas Blick sofort an ihrem Dekolleté hängen, das durch den Wasserfallausschnitt ihres fliederfarbenen Oberteils perfekt zur Geltung gebracht wurde.
Alexandra begrüßte Linda mit einem Wangenkuss. Linda hätte sehr viel lieber ihre Lippen geküsst. Aber sie wusste, dass Alexandras Annäherung in der Öffentlichkeit ein großer Schritt für sie war, der Außenstehenden schon viel über die Innigkeit ihrer Beziehung verraten konnte. Trotzdem erlaubte sie sich, Alexandra einige Sekunden länger an sich zu drücken, als es üblich gewesen wäre. Sie wollte sie einfach spüren, ihr nahe sein.
»Schön, dass du meine Einladung angenommen hast.« Alexandra schenkte Linda ihr umwerfendes Lächeln, als sie sich ihr gegenübersetzte.
»Wie hätte ich sie ablehnen können?«
»Na ja . . .« Alexandra schaute ihr tief in die Augen. »Ich war heute Morgen nicht besonders freundlich zu dir.«
Der Wirkung dieses eindringlichen Blickes konnte sich Linda einfach nicht entziehen. Augenblicklich schlug ihr Herz schneller, und das Kribbeln in ihrer Magengegend intensivierte sich.
Alexandras dunkle Augen funkelten verschwörerisch, als sie hinzusetzte: »Aber du musst mir glauben – ich freue mich, dich wiederzusehen. Außerhalb des Krankenhauses.«
Lindas Finger spielten mit dem Tischtuch. »Ich mich auch.«
Alexandra ließ diese Worte unkommentiert im Raum stehen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Speisekarte. Linda folgte ihrem Beispiel.
»Das klingt ja alles köstlich«, sagte sie ein wenig ratlos.
»Und es ist alles ganz hervorragend«, versicherte Alexandra, was Linda nicht unbedingt weiterhalf.
Während sie noch versuchte eine Auswahl zu treffen, bestellte Alexandra eine Flasche Rotwein, die wenig später gebracht wurde. Der Kellner goss einen kleinen Schluck in Alexandras Glas. Alexandra kostete den Wein fachmännisch, und auf ihr Nicken hin füllte der Kellner beide Gläser.
Linda war wieder einmal nicht ganz wohl dabei, auf nüchternen Magen Wein zu trinken. »Ich muss eigentlich noch fahren . . .«
Alexandra hob eine Augenbraue. »Meine Wohnung ist nur wenige Schritte zu Fuß entfernt.« Sie richtete ihre Augen direkt auf Linda. Das flackernde Kerzenlicht spiegelte sich in ihnen und brachte sie zum Leuchten. »Falls du also nicht mehr fahren kannst. Oder willst«, flüsterte sie kaum hörbar. Ihr Blick bohrte sich in Lindas, und Linda war gar nicht sicher, ob dieses Flackern darin wirklich nur vom Kerzenschein herrührte.
Sie wurde rot.
Abrupt wie so häufig wechselte Alexandra das Thema: »Hast du dich entschieden?«
Linda nickte.
Nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten, brachte der Kellner ein wenig Brot und einen würzigen Dip. Alexandras Hände bewegten sich in Richtung des Brotkorbs, wanderten dann aber, als hätten sie es sich anders überlegt, auf dem Tischtuch in Lindas Nähe und berührten wie zufällig ihre Finger.
Unwillkürlich schloss Linda die Augen. Ihr Atem ging flach und schnell. Sie musste sich räuspern, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen: »Darf ich dich etwas fragen?«
»Selbstverständlich.« Alexandras Gesichtszüge wurden ernst.
Linda druckste ein wenig herum. »Meine Freundin hat mich heute gewarnt . . . Ich sollte aufpassen, dass ich nicht eine von vielen bin«, sprach sie endlich das aus, was sie seit dem Mittagessen beschäftigt hatte.
»Daher weht der Wind.« Alexandra lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Ihre Augen ließen
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