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Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schoening
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Anspannung.
    »Und jetzt kann es losgehen«, erklärte Alexandra: »Zielen und lösen. Pass auf.« Sie begann noch einmal ganz von vorn, brachte sich in Position vor der Zielscheibe, nockte den Pfeil ein, spannte den Bogen und schoss. Genau in die Mitte. »Es ist gar nicht schwierig.«
    »Natürlich nicht. Wenn man es schon unzählige Jahre macht.« Es war das erste Mal an diesem Tag, dass Linda lachte. Dann stellte sie sich wieder in Positur: »Also gut, ich werde es versuchen.«
    Der Pfeil traf zumindest die Zielscheibe, die nur wenige Meter entfernt stand.
    »Gar nicht schlecht für den ersten Versuch«, lobte Alexandra sie.
    Linda versuchte es noch einmal, aber ihre Gedanken drifteten schon wieder ab. Welches Geheimnis verband Alexandra und ihren Vater? Was war zwischen ihnen passiert? Warum hasste ihr Vater Alexandra? Der nächste Pfeil landete im Nirwana.
    »Versuch dich zu konzentrieren«, sagte Alexandra, als Linda den nächsten Pfeil in die Hand nahm.
    Linda schnappte zurück: »Wenn das so einfach wäre.« Sie erschrak fast selbst über den harschen Klang ihrer Stimme.
    Alexandra legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ist alles, was ich heute sage, falsch?« Sie sprach ganz ruhig, ließ sich von Lindas schnippischem Verhalten nicht irritieren.
    »Nein . . . ja . . .« Linda zuckte mit den Schultern und seufzte. »Ich weiß auch nicht.«
    »Was ist los mit dir? Du wirkst etwas abwesend. Stimmt irgendetwas nicht?«
    Alexandra hatte es also doch bemerkt. Sie machte sich Gedanken um Linda, war nicht so egozentrisch, wie Linda befürchtet hatte. Zuneigung stieg in ihr auf wie eine warme Welle, vermochte aber die Zweifel nicht wegzuspülen. »Es ist alles in Ordnung«, log sie. Wenn sie jetzt ein falsches Wort sagte, wäre die Diskussion nicht mehr aufzuhalten.
    »Gut«, gab sich Alexandra damit zufrieden. »Dann versuch es noch einmal. Fokussier die Scheibe.«
    Linda schaffte es tatsächlich, sich auf das Schießen zu konzentrieren, und langsam begann es ihr Spaß zu machen. Bei den nächsten Schüssen erzielte sie sogar schon ein paar Punkte. Immer wieder gab Alexandra ihr Tipps und korrigierte ihre Haltung, und Linda genoss die Momente, in denen Alexandra sie mit sanften Berührungen in die richtige Position brachte. Allmählich wurde Linda immer besser – und spielte mit dem Gedanken, sich etwas ungeschickter anzustellen, einfach damit Alexandra sie noch häufiger berührte.
    Irgendwann taten Linda die Arme weh. »Ich brauche eine Pause«, erklärte sie.
    »Möchtest du etwas trinken gehen?«
    Linda grinste. »Ich habe eine bessere Idee. Du zeigst mir, was du kannst. Diese Übungsscheibe ist ja keine Herausforderung für dich.«
    Alexandra hob eine Augenbraue. »Ach, ist das so?«
    »Ja, genau so ist das.« Lindas Grinsen verbreiterte sich. Sie wunderte sich fast selbst darüber, für einen kleinen Spaß aufgelegt zu sein und sich beinahe normal, beinahe locker zu fühlen.
    Alexandras Augen blitzten. »In Ordnung. Dann komm mit.« Sie führte Linda zum anderen Ende der Schießanlage. Dieses Mal verzichtete sie darauf, Lindas Hand zu ergreifen. Linda konnte sich denken, warum, und ein wenig tat es ihr leid.
    Am Schießstand für Fortgeschrittene herrschte sehr viel mehr Betrieb als bei den Anfängern. »Wow, man braucht ja fast ein Fernglas, um die Zielscheiben zu erkennen«, bemerkte Linda beeindruckt.
    Ein Mann mittleren Alters kam auf sie zu. »Alexandra, was für eine Überraschung! Heute habe ich gar nicht mit dir gerechnet.«
    »Hallo, Peter«, grüßte Alexandra zurück. »Ich wollte meiner Freundin mal ein wenig die Anlage und das Bogenschießen näherbringen.« Sie deutete auf Linda, dann auf den Mann: »Das ist Linda Willer, und das ist Peter Holt, der Vorsitzende des Sportvereins.«
    »Hat es Ihnen bisher gefallen?«, wandte sich Herr Holt an Linda.
    »Ja, sehr. Aber es ist deutlich anstrengender als ich dachte.«
    »Das ist wohl wahr. Aber mit Alexandra haben Sie eine hervorragende Lehrerin.« Herr Holt klopfte Alexandra auf die Schulter.
    »Jetzt übertreib mal nicht«, wandte Alexandra ein.
    »Tu ich nicht. Die Kinder vom Wochenende waren auch wieder ganz begeistert von dir. Vielen Dank noch mal für deine Hilfe. Und Ihnen noch viel Spaß bei uns.« Er nickte Linda zu und ging weiter.
    »Kinder vom Wochenende?«, fragte Linda, als Herr Holt außer Hörweite war und sie ihre Neugier nicht länger bezwingen konnte.
    Ein Hauch von Röte überzog Alexandras Wangen. »Ein Kindergeburtstag«,

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