Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schoening
Vom Netzwerk:
weniger dynamisch. Linda schluckte einmal kräftig, bevor sie ihr folgte.
    Während der letzten beiden Arbeitstage hatte sich Alexandra ihr gegenüber neutral verhalten, war weder besonders abweisend gewesen, noch hatte sie Lindas Nähe gesucht. Eigentlich hätte sie jeder für ganz normale Arbeitskolleginnen halten können. Aber sobald Alexandra sie an diesem Nachmittag zum Bogenschießen abgeholt hatte, war sie wie ausgewechselt gewesen. Zur Begrüßung hatte sie Linda förmlich in ihre Arme gerissen, sie lange und intensiv geküsst – fast so, als sei sie völlig ausgehungert.
    Zuerst hatte Linda mit dem Gedanken gespielt, das Bogenschießen abzusagen und sofort das Gespräch mit Alexandra zu suchen. Aber die Vorfreude in Alexandras Augen war einfach zu deutlich gewesen, und Linda wusste, wie wichtig dieser Nachmittag für Alexandra war. Sie wollte sie nicht enttäuschen.
    Ein wenig konnte die Auseinandersetzung wohl noch warten. Und wer weiß, wie es enden würde? Vielleicht . . .
    Linda verbot sich, weiterzudenken.
    Während der gesamten Fahrt zur Schießanlage hatte Alexandra sie angelächelt, und in ihrem Blick hatte so viel Zärtlichkeit und Zuneigung gelegen. In diesem Moment hatte es für Linda keinen Grund gegeben, an der Aufrichtigkeit von Alexandras Gefühlen zu zweifeln.
    Aber was, wenn sie wirklich nur eine gute Schauspielerin war?
    Erneut schluckte Linda schwer.
    Alexandra riss sie aus ihren Gedanken. »Am besten, ich erkläre dir erst mal die wichtigsten Grundlagen. Was du da in der Hand hast, ist ein sogenannter Recurvebogen«, begann sie fachmännisch. »In der Biegung wird beim Spannen des Bogens die meiste Energie gespeichert. Dadurch kann der Bogen mehr Energie auf den Pfeil übertragen.«
    Linda nickte, auch wenn sie nicht genau wusste, was Alexandra ihr damit sagen wollte. Sie war ohnehin nicht in der Lage, so viele Einzelheiten aufzunehmen. Ein Teil ihrer Gedanken blieb auf andere, düstere Themen konzentriert und ließ sich nicht davon abbringen.
    »Stell dich am besten mal so hin wie ich«, wies Alexandra sie an. »Wenn du mit rechts den Bogen spannst, muss der linke Fuß nach vorn. Die Füße sollten etwas weiter auseinander stehen, als die Schultern breit sind. Die Knie sind nicht durchgedrückt, sondern du stehst locker und unverkrampft.« Sie schien Lindas geistige Abwesenheit gar nicht zu bemerken. War Linda ihr im Grunde gleichgültig? Zog Alexandra einfach ihr Ding durch, machte, was sie wollte, ohne Rücksicht auf Linda?
    Alexandra demonstrierte die richtige Haltung. Dabei lächelte sie Linda aufmunternd zu.
    Nein, Alexandra war einfach in ihrem Element. Sie genoss es, Linda etwas beizubringen, das sie selbst liebte – das war alles. Alexandra war keine miese Betrügerin. Sie war von Grund auf ehrlich. Noch nie hatte sie Linda belogen, das hatte sie selbst gesagt.
    Linda versuchte Alexandra nachzuahmen. Wie war das noch mal? Was sollte sie mit ihren Schultern machen? Es rauschte in ihrem Kopf. Sie musste diese Geschichte mit Alexandra bald klären, sonst würde sie keine Ruhe finden.
    »Das sieht schon ganz gut aus.« Alexandra stellte sich hinter Linda und korrigierte ein wenig die Stellung. »Versuch dich noch etwas mehr zu drehen.« Ihre Hände legten sich um Lindas Taille und zogen ein wenig daran.
    Die Berührung und der sanfte Druck ließen Linda zusammenzucken. Sie hielt die Luft an. Aber ihr Körper reagierte schon ganz von selbst auf den Kontakt, entspannte sich unter Alexandras Händen. »Gut so?«
    »Ja, das sieht perfekt aus.« Alexandra trat noch näher an sie heran und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Lindas Wange schien sofort zu brennen.
    »Als Nächstes legen wir den Pfeil ein«, dozierte Alexandra weiter, »oder wie man unter Bogenschützen auch sagt, man nockt den Pfeil ein. Das ist ganz einfach.« Sie nahm einen Pfeil in die Hand und zeigte es Linda.
    Die konzentrierte sich mit aller Kraft. »Okay, das schaffe ich schon mal.« Sie versuchte zu lächeln. Es hatte keinen Sinn, sich den schönen Nachmittag zerstören zu lassen. Der richtige Zeitpunkt, Alexandra mit ihren Zweifeln zu konfrontieren, würde schon noch kommen.
    Alexandra nickte anerkennend. »Den Rest bekommst du auch hin. Und jetzt spannen wir den Bogen. Guck mal zu.« Wieder machte sie die richtige Bewegung vor. »Siehst du?«
    Linda kopierte Alexandras Bewegungen. Es war nicht so einfach, wie es aussah, und die Muskeln in ihren Armen protestierten sofort gegen die ungewohnte

Weitere Kostenlose Bücher