Mit jedem Herzschlag (German Edition)
anderen Gefallen.“
Als Felipe vor dem Rehazentrum anhielt, schmerzte sein linkes Bein höllisch. Er hätte einen Wagen mit Automatikgetriebe klauen sollen. Nein, ausleihen, korrigierte er sich im Stillen. Das Auto war ja bloß geliehen. Er prägte sich das Nummernschild ein. Wenn diese Sache überstanden war, konnte er den Wagenhalter ausfindig machen und ihm oder ihr Geld als Entschädigung für die gefahrenen Kilometer, das verbrauchte Benzin und den ganzen Ärger geben.
Wenn er dann noch am Leben war …
Er schaute hinüber zu Caroline Brooks, die still auf dem Beifahrersitz saß und seinen Blick erwiderte. Offenbar war ihr gar nicht bewusst, dass sie im heruntergekommensten und gefährlichsten Viertel der Stadt gelandet waren.
„Geht es dir gut?“, fragte sie leise.
Ihre blaugrünen Augen wirkten in der Dunkelheit farblos. Ihre Haare glänzten wie Silber. Sie reflektierten das wenige Licht, das in den Wagen fiel. Er konnte ihr Parfum riechen. Halt, nein, sie trug kein Parfum. Das war ein Sonnenschutzmittel. Carrie war nicht der Typ, der Parfum trug. Der frische Hauch der Sonnenlotion passte viel besser zu ihr, als irgendein blumiger Duft das je konnte. Sie roch nach blauem Himmel, weißem Sand, warmem Meerwasser. Einfach paradiesisch.
Bei den Küssen im Restaurant hatte er ihren Duft sehr viel deutlicher wahrgenommen. Ihm fiel ein, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte. Wie sich ihr schlanker zierlicher Körper angefühlt hatte … Oh ja, einfach paradiesisch. Was hätte er darum gegeben, sie noch einmal küssen zu können.
„Es muss mir gut gehen“, beantwortete er schließlich ihre Frage. „Die Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, sind die eines gesunden Mannes.“
Sie wandte sich ab. Es war zu dunkel, um die Röte auf ihren Wangen tatsächlich erkennen zu können. Trotzdem wusste er, dass sie rot geworden war.
Wie widersprüchlich diese Caroline Brooks doch war. Einerseits war sie scharfzüngig und hatte keine Probleme damit, jemanden mit einer Waffe zu bedrohen. Eine sachliche Kämpferin. Andererseits errötete sie, wenn man ihr Komplimente machte.
Als Felipe nach ihrer Hand griff, zuckte sie heftig zusammen.
„Ich weiß, es ist unbequem, über den Schalthebel zu klettern“, sagte er. „Aber es geht nicht anders. Du musst auf dieser Seite aussteigen. Ich kann nicht riskieren, dir wieder nachrennen zu müssen.“
Ihre Hand fest im Griff, öffnete er die Fahrertür und kämpfte sich steif auf die Beine. Die heftigen Schmerzen drohten ihn zu überwältigen, und einen Moment glaubte er schon, gleich umzukippen. Aber Caroline war direkt hinter ihm. Sie hielt ihn aufrecht, legte sich seinen Arm um den Nacken und stützte einen Großteil seines Körpergewichts.
„Schaffst du den Weg ins Haus?“, fragte sie. „Oder soll ich Hilfe holen?“
Felipe versuchte sich aufzurichten. „Kommt gar nicht infrage, dass ich meinem Bruder anders gegenübertrete als auf meinen eigenen zwei Beinen“, erklärte er. Erst dann wurde ihm bewusst, dass er es auf Spanisch gesagt hatte. Oh Gott, er war nicht mehr ganz klar. Die Besorgtheit in Carolines Blick verstärktesich. „Ich schaffe das“, sagte er, diesmal so, dass sie ihn verstehen konnte. Er zwang sich zu einem Lächeln und fügte hinzu: „Danke, dass du nicht weggelaufen bist.“
Bedauern flackerte in ihren Augen auf. „Ja, hmm, ich hätte es tun sollen“, erwiderte sie und half ihm um den Wagen herum auf den rissigen Bürgersteig. „Ich verschwinde, sobald du sicher im Haus bist.“
„Nein, das tust du nicht. Das kann ich nicht zulassen.“
„Vorsicht, Freundchen“, gab sie scharf zurück, „oder ich lass dich einfach fallen und bin weg!“
„Wenn du das tust, werde ich irgendwie die Kraft finden, dir zu folgen.“
Sie wandte sich ihm zu und schaute ihn an. Da wusste er, dass sie ihm glaubte. Vielleicht nahm sie ihm die Geschichte mit seinem Bruder nicht ab. Vielleicht nahm sie ihm nicht ab, dass er verdeckt gegen Lawrence Richter ermittelte. Vielleicht nahm sie ihm nicht ab, dass Tommy Walsh sie töten würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber sie nahm ihm ab, dass er ihr folgen würde.
Das war immerhin ein Anfang.
6. KAPITEL
R aphael Salazar war älter, härter, schlanker – man konnte ihn auch als drahtig bezeichnen – und etliche Zentimeter größer als sein Bruder. Die Haare trug er nicht ganz so lang, aber genauso straff im Nacken zusammengebunden. Der entscheidende Unterschied jedoch lag in den Augen: Rafes Augen
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