Mit jedem Herzschlag (German Edition)
ehrenamtlich im Verwaltungsrat der öffentlichen Bibliothek. Zeitungs- und Fernsehreporter achten nicht auf ihn – schließlich wird er für seine Arbeit nicht bezahlt. Und dank der Kontakte, die er geknüpft hat, hören einige der mächtigsten Politiker von St. Simone auf ihn.“
„Lawrence Richter“, sinnierte Carrie. „Das klingt so gar nicht nach Mafia.“
„Das, was man die Mafia nennt, kontrolliert nur einen Teil des organisierten Verbrechens. Heutzutage sind Gangstersyndikate keine Familienunternehmen mehr.“
Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Die Klimaanlage des alten Autos hatte schon bessere Tage gesehen. Felipe warf Carrie einen Blick zu und versuchte zu lächeln. Es war jedoch nicht zu übersehen, dass es ihm immer schwerer fiel, seine Schmerzen zu überspielen. Er war blass. Im Scheinwerferlicht der entgegenkommenden Autos wirkte seine Haut beinah grau, und sie fragte sich, wie viel Blut er verloren haben mochte.
„Soll ich fahren?“, schlug sie vor.
Er musterte sie überrascht. „Nein. Mir geht es gut. Danke.“
Sie betrachtete ihn im schwachen Licht der Armaturenbeleuchtung. Mit seinen breiten Wangenknochen, den leuchtenden braunen Augen, den fein geschwungenen Lippen und dem schlanken durchtrainierten Körper könnte er ein Vermögen als Model für Herrenparfum, Jeans oder Unterwäsche verdienen. Besonders als Model für Unterwäsche. Wenn er ein bisschen tanzen konnte, könnte er Abend für Abend im Chippendale’s Club an der Ecke Gulf und Garden Street ordentlich absahnen. Aber ihm schien nicht einmal bewusst zu sein, wie verdammt gut er aussah. Abgesehen davon, dass er offenbar begriffen hatte, wie Frauen auf sein Lächeln reagierten, und das zu nutzen wusste. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht handelte er rein instinktiv.
Er hätte ein angenehmes Leben haben können. Dieses Lächeln und seine warmen, ausdrucksvollen Augen hätten es ihm leicht gemacht. Stattdessen – so behauptete er jedenfalls – hatte er sich entschieden, Polizist zu werden.
„Was hat dich dazu veranlasst, zur Polizei zu gehen?“, fragte Carrie.
Wieder huschte sein Blick kurz zu ihr herüber. „Ist das ein Test? Wenn mir nicht sofort eine Antwort einfällt, beweist das, dass ich lüge?“
„Du schindest Zeit“, gab sie zurück. „Musst du erst nachdenken, um dir eine Geschichte einfallen zu lassen?“
„Ich wurde Polizist“, erklärte Felipe ohne weiteres Zögern, „wegen meines Bruders Rafe. Raphael. Er war ein Straßenräuber. Ich dachte, einer von uns müsste als Gegengewicht fungieren, um die Familie auszubalancieren.“
„Das ist der Grund? Du bist einfach eines Morgens aufgewacht und hast beschlossen, Wyatt Earp zu werden, weil dein Bruder Jesse James war?“
Er schaute zu ihr hinüber. „Möchtest du wirklich die ganze Geschichte hören?“
Sie strich sich die Haare hinter die Ohren. „Ja.“ Seltsamerweise entsprach das der Wahrheit. „Ist Rafe älter oder jünger als du?“
„Fünf Jahre älter. Er fing mit vierzehn an, Drogen zu nehmen. Ich war damals neun.“ Felipe starrte auf die Straße, und Carrie merkte ihm seine plötzliche Anspannung an.
„Wir teilten uns ein Zimmer“, fuhr er fort. „Er kam immer häufiger total zugedröhnt nach Hause. Ich sollte den Eltern nichts erzählen. Er war mein Held. Natürlich hätte ich ihnen nie etwas verraten. Außerdem war es zunächst ganz lustig. Er alberte herum, wenn er getrunken oder Drogen genommen hatte. Aber als er dann zu harten Drogen griff, war es nicht mehr lustig … Es ging sehr schnell. Mit fünfzehn war er bereits abhängig. Als ich endlich begriff, was da geschah, konnte ich ihn nicht mehr davon abhalten. Ich weiß nicht, wie oft ich versucht habe, ihn zur Vernunft zu bringen. Aber mit einem Süchtigen kann man nicht vernünftig reden.“
Er seufzte und fügte hinzu: „Ich konnte ihn nur von der Straße aufsammeln und nach Hause tragen, wenn er zugekifft war und sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Ich konnte nur seine Drogenvorräte vor unserem Vater verstecken. Ich konnte ihm nur das Geld geben, das ich als Zeitungsausträger verdiente, wenn er wieder mal pleite war. Wenn er Schmerzen hatte und unbedingt neuen Stoff brauchte, um seineQualen zu lindern. Und ich konnte nur meinen Mund halten, als er begann zu stehlen.“
Carrie sagte kein Wort. Sie wartete einfach ab, dass er weiterredete.
„Rafe wusste nichts davon“, sagte er, „aber ich habe das meiste, was er
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