Mit Jockl nach Santiago
mancherorts sicher ein wunderbares Bild abgibt, doch irgendwie sitzt unser Aufnahmevermögen heute noch hinter heruntergelassenen Jalousien.
In Portbou, dem letzten Ort vor der spanisch/französischen Grenze leeren wir nochmals zwei Tassen Milchkaffee, vertanken die letzten Peseten, ärgern uns über die aalglatte Unfreundlichkeit der Kellner und die gebieterische Anmaßung der Touristen - das eine fördert das andere in immerwährender Kettenreaktion - und verabschieden uns in einem Anstieg hinauf zum Col des Balitres endgültig von der Iberischen Halbinsel. Wenigstens prägt sich ein herrlicher Blick über ein tiefblaues Meer bis zum Horizont als positiver Spanien-Abschluß ein. Adiós España! - Bonjour France!
Auch die nachfolgenden Kilometer warten mit fotogenen Abschnitten auf, als wir entlang der Küste von einer Bucht in die nächste wechseln, wo grüne, baumlose Grasberge in steilen Hängen zu einem sagenhaften Dunkelblau abfallen. Orte wie Cerbere, Banyuls-sur-Mer, Port-Vendres und ganz besonders die Hafenstadt Collioure bezaubern von weitem durch ihre einzig schöne Lage. Doch der Zauber schwindet, sobald die Souvenirmeilen Gestalt annehmen, wo man in Meeren von Cafétischen und -sesseln wie am Fließband abgefertigt wird oder auch nicht, falls es nicht gelingt, den Kellner mit hypnotisierenden Blicken eines Verdurstenden um sein gnädiges Erscheinen anzuflehen. In den Straßen staut sich die motorisierte Ausländerschaft und in den Gassen die mit Sandalen »beschlapften« Shopper und Auslagenbummler. Urlaub? - Nicht für uns! Wir sind schon bedient, uns durch jedes dieser vormaligen »Fischerdörfer« zu quälen. Auch eine ab Port-Vendres als Autostraße geführte Umfahrung bleibt für Jockl tabu, das heißt, wir müssen zum touristischen Chaos in den Ortszentren unseren werten Betrag leisten.
Am frühen Abend kehren wir in Argelès-sur-Mer der Küste gottlob den Rücken und halten uns nun einige Kilometer westwärts entlang der eindrucksvollen Kette der Monts Alberes, deren dunkle Masse von einer aus Spanien herüberziehenden Gewitterfront unerfreuliche Deckung erhält. In einer einstündigen Fahrt nach Troullias lassen wir die Front in einem beruhigendem Abstand hinter uns und bald haben wir ihre Anwesenheit auch schon vergessen. Eine neue Landschaft tut sich auf- Weinfelder, durch die unser schmales Rumpelsträßchen die kleinen Ortschaften am Weg verbindet, bestimmen die vorherrschende Bewirtschaftung der großen Ebene südlich von Perpignan. Hier liegt auch Troullias, genauer gesagt zehn Kilometer südwestlich von Perpignan, wo wir den örtlichen Campingplatz mit unserer Anwesenheit zu beehren gedenken. Bei unserer Ankunft dämmert der Platz in schierer Vergessenheit vor sich dahin: ungemähtes Gras und veraltete, schmuddelige Waschanlagen, doch zischt aus den rostigen Rohren unter abscheulichem Dröhnen siedendheißes Wasser und ein ordentlicher Baumbestand auf dem kleinen Areal vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit. Ein einziges verwahrlostes Einmannzelt erinnert an die eigentliche Bestimmung dieses abgegrenzten Fleckens. Wenige Minuten nach unserem Eintreffen taucht auch der Besitzer dieses ruinösen Planenverschlages auf - ein etwas zwielichtiger Typ, spindeldürr, mit Strubbelmähne. Als Pierre stellt er sich uns höflich vor, und er scheint sehr auf gute zwischenmenschliche Kontakte bedacht, denn er bietet uns recht großzügig von seinen gebratenen Steaks an, dessen mundwäßrige Düfte uns schwer zu schaffen machen. Trotzdem lehnen wir dankend ab. Darauf versucht Pierre, mit etwas Shit unseren Geschmack zu treffen, auch da müssen wir ihn enttäuschen. Unsere Reise bietet wahrlich genug Gelegenheit, uns aus dem Alltag auszuklinken, wenn uns danach zumute ist, so daß wir auf hirnverdrehende Substanzen gern verzichten können. Trotzdem vielen Dank für das freundliche Angebot! Außerdem brennt Wolfgang noch darauf, das fünf Kilometer entfernte Terrats aufzusuchen; dort soll morgen der mit Bangen ersehnte Reifenwechsel über die Bühne gehen; laut Inge in einer Renault-Werkstatt. Noch wissen wir nicht einmal, ob die Reifen überhaupt eingetroffen sind, nachdem sie einige Zeit in Toulouse zwischengelagert waren. Von diesen beiden Rundlingen hängt nun alles ab, denn die alten taugen nur noch zu einem profillosen Garagendasein. Wenn wir Pech haben, dann endet unsere Tour vielleicht schon in Perpignan auf einem Autoreisezug Richtung Heimat.
Nach eineinhalb Stunden Warten seziere ich aus der
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