Mit Jockl nach Santiago
eines Großmarktes für landwirtschaftliche Gerätschaften zu erfahren - keine zehn Kilometer von hier - wo wir uns endlich auch eine neue Blinkbeule leisten.
All unserer technischen Probleme entledigt und die Kiste voll Proviant, so beginnen wir unsere Rückreise durch Frankreich. Nach Le Soler, einem Ort an der Peripherie von Perpignan, überqueren wir die Tet und die parallel dazu verlaufende Autostraße hinüber nach Pezilla-la-Rivere. Von dort tuckern wir unter einer herrlichen Platanenallee sechs Kilometer nach Millas. Die Schwüle wird für kurze Zeit erträglicher, doch dann schwenkt die Straße gegen eine neue Bergkette ein, die Bäume bleiben zurück, und wir klettern zu einer kleinen Paßhöhe hinauf, dem Col de la Bataille. Bis dahin fanden wir die Landschaft noch eine Spur zu gleichförmig, doch von hier oben zeigt sich, daß wir wieder ungeheuer ansprechenden Gefilden entgegenfahren. Das Hochtal von Fenouilledes mit den Flüssen Maury und Agly, wobei der erst- in den letztgenannten mündet, beschert unseren Blicken fruchtbares Land mit gutbestellten Weinbergen und -hängen, aus denen schroffe Felswände steil emporwachsen und sich zu eindrucksvollen Kämmen aneinanderreihen. Nordwestlich von uns, auf einem Zacken hoch über dem Fluß Maury, völlig exponiert und einem Steinmonolithen nicht unähnlich, ragt Château Queribus in den Nachmittagshimmel. Aufgrund der Entfernung noch nicht genau in seinen Einzelheiten zu erkennen, erahnen wir die stolze Ausgesetztheit dieser einst heiß umkämpften Burg, einer der zahlreichen Festungen der Katharer, auf deren geschichtlichem Terrain wir uns die nächsten Tage ausschließlich bewegen wollen. Schon zu Hause haben wir uns des öfteren mit den Katharern als einem äußerst interessanten Splitter in der Religionsgeschichte auseinandergesetzt. Jetzt bietet sich ideale Gelegenheit die Stätten ihres Lebens und Wirkens auch außerhalb einer einschlägigen Lektüre kennenzulernen.
Nach einer Pause in Estagel bringen wir die neun Kilometer bis zur Ortschaft Maury am gleichnamigen Fluß noch zügig hinter uns, ehe wir es uns auf einen1 kleinen, angenehm stillen Campingplatz unterhalb des Château Queribus gemütlich machen, mit Weinhängen hinter dem Zelt und einer anhänglichen, ständig maunzenden Siamkatze in unserer Nähe.
Die Nacht bringt überraschend Regen; heftiger Wind setzt ein, der bei Tagesanbruch in unverminderter Stärke weiterbläst und uns die wohlige Schlafwärme beim ersten Pinkelgang gleich mal aus den Klamotten reißt. Das Wetter sieht fürs erste nicht gut aus; ob wir dennoch Queribus erklimmen sollen? Doch das beraten wir in einer Bar in dem wie ausgestorbenen Maury. Der einzige Postkasten des Ortes quillt bereits über, immerhin zeugt das von der Anwesenheit einiger Briefeschreiber oder von einem Poststreik. Kaum, daß wir uns in der ersten Aufwärmrunde am Kaffee die Lippen verbrannt haben, flutet ein strahlendes Hell zu den Fenstern herein - Sonne! Mit ihr haben wir nun wirklich nicht gerechnet. Also nicht lang getrödelt und auf nach Queribus, denn die Wolkendecke hat sich zwar erfreulich gelockert, doch der rasante Wind transportiert ebenso rasch neue Fronten heran.
Von Maury führt eine Straße acht Kilometer bergwärts hinauf nach Queribus. Mit jedem Höhenmeter ergreifen uns immer stürmischere Turbulenzen; die Wolken rasen wie gepeitscht über uns hinweg und machen uns bei längerem Zusehen richtig schwindlig. Bald umfassen unsere Blicke das Talpanorama mit seinen sanften Hügeln, Hängen und Weinbergen. Aus diesem »grünen Zahnfleisch« wachsen hellgraue, schroffe Felswände als bißgewaltige Zahnreihen mit Zwischenräumen von schaurigen Abgründen, die, würden sie erzählen können, von schrecklichen Zeiten berichten, als das Land der Katharer von Belagerungen, Mord und Wüstenei heimgesucht wurde. Einmal mehr waren religiöse Motive die Ursache, daß die Gültigkeit der Gebote, vor allem des fünften, gründlich ignoriert wurde. Der katholische Klerus hatte es schon immer vortrefflich verstanden, seine Lehren mit Anhäufung von Macht und Reichtum in idealer Weise zu verquicken, wenn nötig mit göttlicher Fuchtel und Intrige. Armut zu predigen und in Völlerei zu leben, das war das Credo der Gesalbten. Glanz und Gloria der Kirche, Prügel und Not dem ohnedies armen Volk. Aus diesen unhaltbaren Mißständen heraus begannen nun einige Christen die Art Religion, die der hohe Klerus praktizierte und für seinesgleichen in
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