Mit Jockl nach Santiago
Ferne endlich die vertrauten Takte unseres Jockls. Und - Jubel! »He Hartiguck, stö da voa, d’Reifh san wirklich scho do. Ha, wos sogst?« - »I hoits net aus, d’Inge hots glott zwegn brocht!« Daß bei der Fahrt nach Terrats der linke vordere Kotflügel wieder abriß, bereitet uns in unserem Freudentaumel keine Kopfzerbrechen mehr. - »Du Pjäa, koit da dein Shit, mia san a ohne den scho gonz hei!«
X. Im Land der Katharer!
Rund 35 Fahrsstunden: Languedoc-Roussillon - Midi-Pyrénées
Mit seltsam enttäuschtem Gesichtsausdruck hebt Pierre zum Abschied die Hand, die ganze Zeit über hatte er uns in einiger Entfernung beobachtet, fast ein wenig mißtrauisch beäugt, als wir uns ans Packen machten. Wolfgang fragte ihn, ob hier niemand käme, um die Campinggebühren zu kassieren. Pierre meinte, da müßten wir schon zur »Marie« - dem Gemeindeamt - gehen und dort unsere Nächtigung bekanntgeben, für die man dann einige Francs berechnen würde.
Wir fahren zwar nach Troullias hinein, doch nur zu einem kleinen Einkauf. Die Leute in den Straßen verfolgen uns mit Blicken, die uns in den Rang dahergelaufenen Packs der undurchsichtigsten Sorte verweisen. Da knüpfen wir mal lieber keine Kontakte zur Marie, womöglich gesellt sich bei unserem ungewöhnlichen Auftreten und den zarten Banden zum haschenden Pierre auch noch die Gendarmerie dazu. Wie die Geschichte lehrt, weiß man nie, wann die Harmlosigkeit in die Falle tappt. Wir grüßen die Bewohner ausnehmend freundlich und trollen uns davon, geradewegs zum Höhepunkt dieses Tages - dem Reifenwechsel.
Das Örtchen Terrats umgibt eine ländliche Landschaft, die fast ausschließlich für Weinbau genützt wird. Die dunklen, blauvioletten Trauben an den Rebstöcken leuchten in der Sonne in kräftigem Kontrast zum grünen Weinlaub und sehen, zu saftiger Prallheit gereift, ihrer baldigen Ernte entgegen. Wolfgang kennt den Weg von gestern und rattert zielstrebig durch den Ort zu der kleinen Renault-Werkstätte, dem letzten Haus von Terrats, unmittelbar vor den grünen Weiten der Weingärten. Der beleibte Firmenboß erwartet uns bereits und schreitet auch ohne lange Umschweife und noch weniger Worte zur Tat. Daß das Ganze in eine Metzgerei ausarten wird, das zeichnet sich schon in den ersten Minuten ab, denn der Meister erledigt die Arbeit ausnahmslos mit eigener Muskelkraft ohne maschinelle Hilfe. Neben der Werkstätte sieht sich der arme Jockl also bald aufgebockt, noch dazu direkt unter seiner Kistenhalterung! - Uns stehen gleich zum Auftakt die Haare zu Berge. Wolfgang versucht den Meister, die fragliche Stabilität der Halterung betreffend, aufzuklären und zu überzeugen, daß es nicht ganz unbedenklich wäre, wenn das Gewicht des Traktors anstatt an der robusten Hinterachse zum Großteil an der Kiste hinge. Doch die Verständigung klappt nicht, also müssen wir ihn gewähren lassen und hoffen, daß die Konstruktion der Attacke standhält. Anfangs verfolge ich den Arbeitsablauf mit einigem, wenn auch besorgtem Interesse. Doch spätestens als der Monsieur die fast 30 Jahre alten Reifen in einem Gewaltakt mit einem 2 kg-Handfäustel von den Felgen losschlägt, kommen mir ernste Zweifel, ob er die neuen da jemals wieder draufbekommt. Schweiß rinnt ihm in glänzenden Bächen von den Schläfen den Hals runter; das bewirkt, daß auch ich allein beim bloßen Zusehen schon zu schwitzen beginne. Nervös wie ein werdender Vater ziehe ich endlose Achterschleifen in der Werkstätte und dem Platz davor, während der Meister die Felgen von ihren ausgedienten Reifen entbindet. Mal drischt er hier drauf, mal hebt oder zerrt er dort an Die Szenerie erinnert mich allmählich an ein lange zurückliegendes Erlebnis in meiner Kindheit - Schweineschlachten! - derselbe Kraftakt, dieselbe Rohheit, doch jeder Handgriff sitzt, damals wie heute. Dem kann ich nicht mehr zusehen, und so verziehe ich mich zu einem Spaziergang zwischen den Weinstöcken und bete zum Heiligen Jakobus um baldiges wie glückliches Gelingen der Arbeit.
Eineinhalb Stunden später steht Jockl in samtschwarzen Semperit-Reifen und angeschweißtem Kotflügel wie in Halbgala zur Abfahrt bereit. Erleichtert begleichen wir die Rechnung mit einem angemessenen Trinkgeld, damit der Meister seine verlustig gegangene Flüssigkeit kräftig auffüllen kann. Seine Reserviertheit weicht einer umgänglicheren Art und zusammen mit einer wartenden Kundschaft entwickelt sich immerhin soviel Gespräch, um die Adresse
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