Mit Jockl nach Santiago
Tal.
Obwohl uns Queribus über die Maßen begeistert hat, fliehen wir fast nach Maury in der Hoffnung auf etwas Windstille. Doch nichts dergleichen; außerdem trübt sich der Himmel ein, was uns für die nächsten zwei Stunden Fahrt entlang der Flüsse Maury und Boulzane einiges Frösteln beschert. Nach 25 Kilometern lernen wir mit Puilaurens die nächste Katharerburg kennen. Sie schützte einst den einzigen Zugang zum Hochtal von Fenouilledes, den wir nun in der Gegenrichtung passieren. Hier rücken die Berge und Felsen enger zusammen, und bald umzingeln uns weitere Ableger der Pyrenäen. Bei Axat stoßen wir auf die Aude - stromaufwärts ein reißender Gebirgsbach aus den Pyrenäen — und tauchen in die berühmten Aude-Schluchten ein, mit bis zu 350m Tiefe und kaum 20m Breite ein kühner Engpaß der Natur; ein Paradies für Kletterer, Kanuten und Rafting-Begeisterte. Sonne macht sich wieder bemerkbar, hat aber zu dieser späten Stunde in der Schlucht mit ihren Steil- und Überhängen keine Chance mehr für einen Auftritt. Erst in Quillan, einer hübschen, beschaulichen Kleinstadt in einem Talkessel inmitten von Bergen, fangen wir noch einige Strahlen ab, dazu einige Schauer, die einen kräftigen Regenbogen über der Stadt malen. Außerdem verfügt Quillan über einen mustergültigen Campingplatz: klein, sauber, wenige Leute - ideal für uns, um zwei Tage zu bleiben.
Quillan bietet keine Besonderheiten und doch alles, um sich rundherum wohlzufühlen. In seinen heimeligen Gassen erfahren wir die Freundlichkeit seiner Bewohner und die Gemächlichkeit ihres Alltags, der überall landauf und landab in derselben Gangart gehandhabt wird. Genau das wirkt natürlich sehr erholsam auf uns getriebene Gemüter und bestärkt uns ebenso wie der klare, sonnige Spätsommermorgen in dem Entschluß, einen Tag Pause einzulegen. Ein leichter Wind rauscht im Laub, erste Kastanien plumpsen wie Riesenregentropfen schwer auf die Erde und rollen, rotbraunglänzend, zur Seite. Diese runden Handschmeichler der Natur sehen und mich danach bücken ist Gedanke und Bewegung in einem. Ein Fingervergnügen mit zwei Kastanien in der Hand zu spielen, sie gegeneinander zu reiben, zu drehen und zu wenden und dabei ihre glatten Oberflächen zu spüren und die weichen Formen immer wieder aufs neue zu ertasten. So ganz nebenbei ist das im wahrsten Sinn des Wortes die erste Berührung mit dem Herbst, für mich die schönste aller Jahreszeiten.
In der Boulangerie bringt man uns bald auf einen anderen Geschmack: Marzipanstrudel! - gehaltvoll an Kalorien und Fülle, ebenso die Bäckerin, die unserer aufgeregten Unentschlossenheit vor einem stattlichen Sortiment an Gaumenfreuden mit wohlwollendem Lächeln und Geduld begegnet. Ihre Blicke ruhen mit mütterlicher Sanftmut auf ihren Brötchen wie auf uns, während wir hierhin und dorthin durch die Glasvitrine deuten:
»Des? - Oda des mit Nußn?« -
»Na, liaba des mit da Glasua!« -
»Und wos is mit de Kringln duart?« -
»Geh nemma doch fo oim was, und den Strudl und a Baget dazua!« Die Bäckersfrau nickt nach jedem Fingerzeig, den wir auf eine Leckerei richten und benennt das Gebäck mit Namen, als stelle sie uns ihre Kinder vor. Auch Angestellte in der Bank, am Zeitungskiosk, im Tourist-Office oder ein freundlich grüßender Bürger auf der Straße legen eine Herzlichkeit an den Tag, in der wir baden wie in warmem Thermalwasser.
Bei aller Sympathie für Quillan zieht es uns bald raus aus der Stadt, Richtung Norden, wo wir im zehn Kilometer entfernten Esperanza einem wahren Museumsrausch anheimfallen. Der kleine Ort verfügt über drei Museen, zwei davon von einigem Interesse: Ersteres, das Saurier-Museum findet bei Wolfgang großen Anklang, als jemand, der selbst gern den Geologenhammer schwingt, um in verschiedenen Gesteinsschichten der Erdfrühzeit auf den versteinerten Haifischzahn zu fühlen oder wunderbare Gebilde von Seelilien, Muscheln, Schnecken und Seeigeln aus ihrem Jahrmillionenkerker zu befreien und an die Luft der Neuzeit zu heben. Freilich gibt sich das Museum nicht mit derlei Winzigkeiten ab, wenn in der Umgebung reichliche Funde von Saurierknochen die Paläontologen des Landes zum Dienst rufen. Im Museum von Esperanza kann man das Resultat bisheriger Grabungen in Form einer gelungenen Präsentation der Schaustücke, unter anderem auch lebensgroße Rekonstruktionen einzelner Sauriertypen, bewundern. Ein Video zeigt die umfangreichen Forschungsarbeiten auf dem Grabungsgelände in
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