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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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hatten und setzt sich in den Wohnräumen mit Möbeln aus dem 18. Jahrhundert fort. Wir erhalten einen kurzen Überblick zur weltweiten Entwicklungsgeschichte der Papierherstellung und deren Ursprungsländer. Doch neben Bücher, Schriften und sonstigen Exponaten fasziniert uns die Herstellungsart von Wasserzeichen und deren vielfältige Motive ganz besonderes, darunter die ältesten Kostbarkeiten des Museums: unversehrte mit Wasserzeichen versehene Papiere aus dem 14. Jahrhundert.
    Dem theoretischen Teil folgt der praktische, und wir übersiedeln einen Stock tiefer in das Herz der Mühle zu den radgetriebenen Stampfern, die die Naturfasergewebe - sprich Lumpen - unter ständiger Wasserzufuhr innerhalb 30 Stunden zu einem herrlichen Zellulosebrei zerreißen, zerstampfen und zerklopfen. Aus diesem Brei, der aus dem hauseigenen Garten mit Blüten und Gräsern für ein florales Design angereichert wird, schöpfen die Arbeiter das Papier, das die Moulin Richard-de-Bas heute in alle Welt verschickt. Am Dachboden, zu dem wir am Ende unserer Besichtigung hinaufsteigen, hängen auf zehn Kilometer Seillänge die eierschalenfarbenen Papierbögen zum Trocknen. Selbst hier heroben spürt man den dumpfen Herzschlag der Mühle, das Hämmern und Zerstampfen der Lumpen; ein Pochen, das durch alle Räume jeden Winkel des Hauses rhythmisch belebt und irgendwann den eigenen Pulsschlag abzulösen scheint. Ein wummerndes Gefühl der Geborgenheit lullt mich ein...im Geiste falte ich fein säuberlich Papierbögen und zupfe im Garten zarte Blüten für den Zellulosebrei... Hartiguck, aufwachen! Klapp dein Tagtraumkästchen zu und vertroll’ dich lieber schleunigst zum Jockl!
    Von der Mühle führt die Straße weiter talaufwärts und mündet nach wenigen Kilometern in die D996. Die zuvor wohlig empfundene Wärme bleibt hinter dem 1196 m hohen Col des Pradeaux zurück und ein gar frisches Windchen macht sich bemerkbar, das für die lächerlichen acht Kilometer nach Saint-Antheme genügt, um sogar einige Nasentröpfchen zu Tage zu fördern. Der Campingplatz von Saint-Anthème läuft unter der Sparte der ganzjährig geöffneten. Als ein solcher macht er gerade nicht den Eindruck, als wir vor einem großen Gittertor zu stehen kommen. Niemand an der Rezeption, und am Tor hängt ein unleserliches Schild, daraus weder Verbot noch Erlaubnis zum Betreten des Camps hervorgeht. Das Tor erweist sich als unversperrt, also fahren wir auf das Gelände. Sieht so aus, als ob außer einigen winterdicht verbarrikadierten Wohnwägen nichts und niemand anwesend wäre. Erst bei Einbruch der Dämmerung nähert sich uns ein älterer Herr - einer der Wohnwagenbesitzer - und testet in einem abendfüllenden Gespräch unsere Geduld auf Herz und Nieren. Eigentlich wollten wir nur wissen, ob sich mit unserem Aufenthalt niemand auf den Schlips getreten fühlt und an wen wir uns mit der Bezahlung zu wenden hätten. Stattdessen erfahren wir von einem See hinter den Bergen, den wir unbedingt aufsuchen müßten, wo es delikaten Käse zu kaufen gäbe und wer die beste Butter erzeugt. Zur Bekräftigung dieses Tips eilt er in seinen Wohnwagen und bringt ein Stück Butter zur Ansicht, an dem er selbst noch einmal ganz hingebungsvoll schnuppert - »Mmmh tres bien!« -, bevor er es uns unter die Nasen hält. Ja und wenn wir Zeit hätten, sollten wir da und dort hinfahren und uns dies und jenes anschauen und, und, und... ach ja der Campingplatz! Da gingen wir am besten zu Monsieur Sowieso, der leite das örtliche Altersheim, und dieses sei ganz einfach zu finden, man bräuchte nur... oh Gott und das alles in perfektem Französisch, wobei es dem launigen Herrn nicht zu dumm wird, unserem Sprachmangel reichlich Mimik und Gebärden entgegenzusetzen. Trotzdem erschöpft allein schon das angestrengte Zuhören wie drei Museumsbesuche hintereinander.
    Die ersten Steme glitzern, als sich Monsieur von uns verabschiedet. Wenig später tut dies auch der Mond, indem er für kurze Zeit in den Erdschatten eintaucht und eine teilweise Mondfinsternis in den Himmel zaubert.
     
    Am Morgen zittern und zappeln wir vor Kälte ums Zelt herum, unwillig irgend etwas anzugreifen, das tiefgekühlter ist, als wir selbst. Die Sonne verbirgt sich noch hinter den gegenüberliegenden Bergen und wir müssen wohl oder übel ohne ihr wärmendes Zutun an die Arbeit gehen. Als wir in besagtem Altenheim vorstellig werden, treffen wir den Monsieur De-toutes-facons (Herr Sowieso) nicht an. Auch das Personal kann uns

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