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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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anschließende Royat, einen pompösen Thermal-Kurort mit prächtigen Villen und Kurhäusern in klassizistischer Behäbigkeit und einer wehrburgartigen, romanischen Kirche. Etliche Serpentinenkilometer außerhalb des Ortes hoch über Clermont-Ferrand heißt man uns dann in einem Vier-Sterne-Campingplatz nicht gerade willkommen. Erst eine halbinterne mißstimmige Beratung an der Rezeption öffnet uns die Schranken zum abgelegensten Platz am äußersten Ende des Camps - man will schließlich den Camper-Adel in ihren mobilen Wohnschlössern nicht zu sehr mit unserer Anwesenheit belästigen - äh, konfrontieren! Unsere Parzelle hegt direkt an einem Wald, der das Camp begrenzt, selbstverständlich weitab jeder Laterne, so daß sich der nächtliche Gang auf ein ohnedies geruchsintensives Örtchen nur mit einer Taschenlampe bewerkstelligen läßt, was ja kein Problem wäre - aber doch nicht zum Preis einer halben Hotelübernachtung! Hier löhnen wir wirklich jeden einzelnen der vier Sterne doppelt und dreifach. Hinter jedem Heuschober wären wir wahrscheinlich besser aufgehoben gewesen. - Camperschicksal!
     
    Einen Vorteil hat unsere Absonderung vom Volk der Wohnmobilisten, denn wir erleben ein morgendliches Vögelstimmenkonzert wie im tiefsten Urwald. Das bleibt auf längere Sicht auch die einzige Freud’ an diesem Tag. Das bereits am Morgen eingetrübte Wetter verschlechtert sich im Laufe der Stunden bis zu Donner und Blitz und läßt unseren geplanten Ausflug hinauf zum Puy de Dôme buchstäblich ins Wasser fallen. Wir trösten uns mit der Möglichkeit, daß das Befahren der 12%igen Mautstraße zum Gipfel für Traktoren ohnedies untersagt sein könnte. Eine diesbezügliche Nachfrage beim Tourist-Office gestern in Clermont hatte nur einen ungläubigen Blick der angesprochenen Mademoiselle zur Folge. Ja, wir wurden den Eindruck nicht los, daß sie uns für zwei schräge Vögel hielt, die brave Bürger von ihrer Arbeit abhalten. Wir dankten ihr für die überreichten Prospekte und wünschten ihr ein freundliches »Bon journée!«
    Meine gute Laune, seit gestern abend beständig im Schwinden, kehrt nicht wieder und ich fühle mich wie das personifizierte Gewitter, das stundenlang über uns rumort- Unbezähmbare giftige Gedanken züngeln durch meinen Kopf, und am liebsten würde ich jeden der sich uns nähernden Jockl-Besucher mit teuflischer Wut in die Flucht jagen: »Boschua, boschua, boschua... mensch hauts ob!« Mit Lesen, Briefeschreiben und Zelträumungsarbeiten versuche ich, meinen emotionalen Blitzschlag zu löschen. Bis zum Abend bessert sich endlich nicht nur meine Stimmung, sondern auch das Wetter. Das regenschwere Gewölk über den Puys zieht zum Großteil ab und schenkt uns zum Tagesausklang sogar noch ein paar flüchtige Sonnenstrahlen.
     
    Den morgendlichen Nieselregen lösen Wind und sonnige Abschnitte ab. Soll mir recht sein; meinetwegen schneit es, nur weg von dieser pseudo-vornehmen Wohnwagen-Gesellschaft.
    Die Straße zum Puy de Dôme kreuzt fünf Kilometer nach Royat die D941; auf die biegen wir ab und lassen die letzte Möglichkeit, den Puy de Dôme vielleicht doch noch zu befahren, ungenutzt. Ständige Windattacken treiben uns zum 1065 m hohen Col de la Moreno hinauf, den wir ausblicklos, weil stark bewaldet, hinunterrollen. Dunkle Wolken ziehen zum Greifen tief über kräftiges Wiesengrün und malen in schneller Folge schwindligmachende Licht- und Schattenspiele in die Landschaft. Wales taucht vor unserem geistigen Auge auf, und fingen sich nicht in einiger Entfernung unsere Blicke an den Kraterhügeln der Puys, wäre ein Vergleich mit britischen Regionen mehr als zutreffend. Kuh- und Schafherden auf heckenumzäunten Weiden vor der weithin sichtbaren Kulisse der Puy de Dôme-Kehrseite vermitteln ein Gefühl von Frieden und Ruhe. Und dieses Gefühl verläßt uns auch bis Orcival nicht mehr.
    Drei Kilometer liegt das schlichte, hinter Baumgruppen versteckte Château de Cordes hinter uns, als endlich, noch hoch über dem Ort, Orcivals unverwechselbare Wallfahrtskirche Notre-Dame aus der Talenge heraufgrüßt. Mit ihrer kompakten Eleganz rechnet niemand, auch wer ihr Bild bereits von beliebigen Abbildungen her kennt. Der gesamte kleine Ort lebt im Schatten ihres Zaubers, und niemand vermag sich ihm zu entziehen. Sie gilt als Musterbeispiel auvergnatischer Romanik. Kennzeichnend dafür ist ein pyramidenförmiger Stufenbau, der an der äußersten Chorkapelle beginnt und über Chor, Lang- und Querhaus in

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