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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Fenster mit hölzernen Läden zusätzlich betonen, sehr zum innerstädtischen Wohlgefühl bei. Lectoure schneidet in unserer Bewertung sehr gut ab, deshalb nehmen wir es auch nicht allzu krumm, daß der Campingplatz wieder mal fast auf der Kehrseite des Globus liegt; allein sein Name »Zu den drei Tälern« läßt uns im Geiste nochmals Proviant fassen. Also fahren wir dorthin und erleben trotz guter Auslastung des Camps einen ungestörten und angenehmen Aufenthalt.
     
    Wolfgang läuft wie ein Armamputierter herum; seine unverändert schmerzhafte Schulter macht ihn zum Halbinvaliden. Dementsprechend lange benötigen wir deshalb für unseren Abbau und das Einpacken. Wolfgang nimmt sein Gebrechen mit regelmäßigen Wiederholungen eines: »Ah, des geht scho!« auf die leichte Schulter, in seinem Fall die linke. Und wenn Salben nicht helfen und sonst nichts zu machen ist, dann gehen wir eben zur Tagesordnung über.
    Das heißt, vormittags kehren wir für einen Kaffee mit Pyrenäenblick nochmals in Lectoure ein. Gestern war am diesigen südlichen Horizont nichts zu erkennen, aber heute zeichnen sich dort noch ganz niedrig schwache Umrisse einer Gebirgskette ab: die Pyrenäen. Und genau wie im Sommer unserer Raditour hat dieser erste Bück, diese erste Kontaktaufnahme etwas sehr Aufregendes an sich, auch wenn die gewaltige Gebirgsbarriere aus der Ferne besehen noch sehr undramatisch wirkt. Mit dem Eicher-Jockl über die Pyrenäen! Das klingt genauso absurd wie: Mit der Luftmatratze durch den Panamakanal! Ein quirliges Gefühl erfaßt uns und treibt uns an. Lectoure adieu!
    Schon schwingen wir uns auf unser Ackerroß und ab geht es in »Direction Pyrénées«. Am Weg dorthin kommen wir elf Kilometer weiter nicht um einen kurzen Aufenthalt in der fotogenen Bastide Fleurance herum. Auch hier wieder eine unglaublich raumgreifende, gotische Kirche mit Wehrumgang, die sogar für den ansehnlichen Ort Fleurance noch einige Nummern zu groß erscheint. Und wie außen, so verblüfft sie uns auch innen mit unglaublichen Ausmaßen, die obendrein noch durch hohe, massive Rundpfeiler verstärkt werden. Mitten am Hauptplatz, den, wie es sich für eine ordentliche Bastide gehört, Arkadenhäuser säumen, prunkt ein nicht seltenes, doch in diesem Fall ungewöhnliches Bauwerk: eine gotische Markthalle. Über ihren hohen Arkadenreihen im Erdgeschoß verfügt sie über einen bewohnten ersten Stock, dessen Räume über eine innenliegende Holzgalerie zu betreten sind; die Mitte der Halle gewährt jedoch einen freien Blick bis hinauf ins hölzerne Dachgebälk, einer weiteren interessanten Variante mittelalterlicher Dachkonstruktionen. Alles in allem ein sehr stattlicher und repräsentativer Bau. Ansonsten verleihen die Fassaden eines angenehm verlebten Zentrums der alten Dame Fleurance durch schmale, hohe Fenster und Türen hinter Schmiedeeisenbaikonen einen Hauch vergangener Eleganz.
    Weit weniger Eleganz treffen wir dann außerhalb von Fleurance auf dem Areal eines Traktor-Friedhofs. Noch nie in dieser Art gesehen, lagern dort Aberdutzende ausgediente, ausgemergelte Traktorvehikel aller Marken und warten in rostender Gemeinschaft auf ihre endgültige Vernichtung bzw. Ausschlachtung. Ein riesiges Lager mit allen erdenklichen Bestandteilen aus Motor, Karosserie und Bereifung schließt sich dem Wrack-Friedhof an. Ich bin begeistert, Wolfgang hingegen noch mehr als das, doch einem beseelten Jockl würde angst und bange werden angesichts seiner ums Gnadenbrot gebrachten Kollegen. Wie in einem Schlachthaus muß er sich fühlen, als wir das offene Tor als Einladung betrachten und zwei volle Runden durch das gesamte Wrack- und Teile-Lager drehen, wobei uns die anwesenden Arbeiter teils mit Staunen, teils mit Gelächter begegnen und einige davon sogar Anfeuerungen hinterherrufen. Hier landet bestimmt so manche Oldie-Kostbarkeit, die in einem Museum besser aufgehoben wäre, als von Maschinen und derben Händen in ein Nichts zerlegt zu werden. Wolfgangs geweitete Pupillen verraten die Wirkung der Schrottdroge. Bislang fand noch jeder Schrottplatz auf dieser Tour unser Interesse und wurde deshalb auch meist mit einem Besuch beehrt. Wolfgang liebt und sammelt Kleinschrott wie andere Leute Briefmarken, Mineralien oder Colaflaschen. Jede einsame Schraube lohnt ein Bücken, jede Beilagscheibe findet ihren Weg in die Hosentasche, Blech und Draht wandern in die Aufbewahrung. So ziemlich alles an Material, das wir für gelegentliche Reparaturen oder das Beheben

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