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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Felswand, in deren Schutz die Altstadt von Nájera liegt. Vis-á-vis davon und jenseits des breitbettigen Río Najerilla ufert eine Art Neustadt in Richtung Osten aus. Nájera besitzt, neben einer tollen Lage zwischen roter Felswand und blauem Fluß, auch ein sehr eindrucksvolles Bauwerk, hinter welchem man eher eine trutzige Wehrburg als ein gotisches Kloster vermutet. Santa María la Real harmoniert mit seinem rötlichen, schmucklosen Mauerwerk fantastisch mit der dahinterliegenden Felswand und bildet mit ihr eine optische Einheit, die ihrer hochaufragenden Massigkeit zusätzlich Ausdruck verleiht. Auch wenn es der Autor unseres Pilgerführers hundertmal betont, das Kloster unbedingt zu besuchen, stehen wir auch diesmal vor geschlossenen Pforten. Das berühmte Pantheon der Könige von Navarra und Kastilien soll sich dahinter verbergen. Na, das wird es auch ohne uns weiterhin tun. Wir tragen’s mit Fassung und schlendern geradewegs in die nächstauffindbare »heladería« (Eisdiele), den Pantheon der süßesten Geschmäcker, um das erste Eis seit Urlaubsbeginn in andächtigem Schweigen zu vertilgen.
    Unsere Fahrt nach Santo Domingo de la Calzada strotzt im Vergleich vergangener Tage geradezu vor landschaftlicher Abwechslung: links von uns die Bergkette der Sierra de la Demanda mit dem 2271 m hohen San Lorenzo; vor uns ein Fleckerlteppich aus Feldern; Weinberge mit tiefgrünen Rebstöcken auf rötlicher Erde; Getreidemeere in gold-rotem Kampf gegen knalligen Klatschmohn; mannshohe, lilablühende Disteln und Brombeerwälle; gelegentlich Mandelbäume am Straßenrand und über allem wölbt sich ein flirrendblauer Himmel mit fliegenden weißen Splittern darin - Störche!
    Zwei Kilometer vor Santo Domingo entfliehen wir einem vermehrten Verkehrsaufkommen und jeglichen weiteren touristischen Aktivitäten in die gähnende Nachmittagsflaute eines Campingplatzes.
     
    In der mondhellen Nacht zittern die Sterne und seufzen die Schlafsuchenden unter den bedrohlichen Lauten eines Extremschnarchers in einem der Zelte gegenüber. Seiner Kehle entsteigt ein so unglaubliches, unmenschliches Gerassel, daß einem bange werden könnte, sähe man sich nicht der eigenen Qual ob dieses unaufhörlichen Geröchels ausgeliefert. Einem Schnarcher ohne Hoffnung auf Einstellung seines tierisches Gegrunzes zuhören zu müssen, verdeutlicht den Begriff der Machtlosigkeit in geradezu folternder Weise. Als nach stundenlanger Mattenwälzerei allmählich Nagelbretter unter meinem Körper wachsen und Stromstöße bis in die äußersten Haarspitzen jagen, erkläre ich dieses Höhlentier dort drüben zu meinem persönlichen Feind und wünsche ihm alle kläffenden Köter und heulenden Wölfe um seine Bettstatt! Am liebsten würde ich meinen wachsenden Unmut hinausschreien und lauere bereits auf die günstigste Sekunde des überlaufenden Fasses, um: »A Rua is, fix nu amoi!« in die Nacht hinausbellen zu können - da schlafe ich unvermutet ein.
    Ein neuer Morgen dämmert herauf, und unsere gestern gewaschenen Klamotten hängen noch immer kaum trockener als frisch geschleudert an der Wäscheleine. Da hilft kein Gezeter, die Jeans wird angezogen und mit zwei Rollen Klopapier ausgestopft, um mir die Krötenkühle vom Leib zu halten und die Region um den Allerwertesten zu ungewohnter Drallheit anschwellen zu lassen. Der Rest an Textilien wandert in die Kiste bis zur nächsten Teiltrocknung.
    Santo Domingo heißt unser mittäglicher Aufenthalt, eine der wichtigsten Stationen am Camino. Ihr Name leitet sich vom Hl. Dominikus ab, dem die Stadt durch den Bau einer Wallfahrtskapelle und einer Pilgerherberge ihre Gründung im 11. Jahrhundert verdankt. Darüber hinaus sorgte er sein halbes Leben für einen reibungslosen Durchzug der Pilger, indem er selbst den dazu notwendigen Straßen- und Brückenbau betrieb. Zum Dank für seine Plag’ ruhen seine geschundenen Gebeine heute in einem Alabastermausoleum der Kathedrale.
    Santo Domingo rühmt sich nebenbei auch als Ort des Geschehens für die bekannteste aller Legenden entlang des Jakobswegs. »Das Wunder vom Huhn, das nach dem Braten noch gackerte«, kennt jeder Pilger, wenn auch in verschiedenen Ausschmückungen. Kern der Geschichte: Die schöne Tochter eines Wirtes schenkte einem Burschen, der sich mit seinen Eltern auf Pilgerschaft nach Santiago befand, vergeblich verführerische Blicke. Um ihren gekränkten Stolz zu rächen, packte sie ihm einen silbernen Becher in sein Gepäck und bezichtigte ihn daraufhin des

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