Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
Vom Netzwerk:
gefärbte Haar in gedrillten, toupierten Locken ums stolze Haupt arrangiert, eingehüllt in eine sagenhaften Wolke süßlich-schweren Altdamenparfums, das Schneiderkostüm trotz Hitze mit Eleganz und absoluter Notwendigkeit getragen und die beringten Hände unter Armreifgeklimper in der Krokotasche nach Zigaretten und Feuerzeug kramend - die Damen rauchen, und zwar in der Intensität eines ganzen Herrenclubs. Solche banale Alltagsszenen können mich endlos beschäftigen, vor allem wenn die Tische rundherum gut besetzt sind und mir sozusagen eine reichhaltige Programmauswahl zur Verfügung steht. Was interessiert mich jetzt? - Das Liebespaar, das Großvater und Enkelin sein könnte, es aber aufgrund diverser Zuneigungsbezeugungen kaum sein wird; die Mütterrunde mit properen Babys, die zur allgemeinen Besichtigung wie Salatschüsseln herumgereicht werden; der salopp gekleidete Herr hinter der Tageszeitung, den ein Kuß einer haarschüttelnden Schönheit aus seinem Papierbunker reißt oder der beleibte Senor, der sich mit seiner ebenfalls dicklichen Walze auf vier Pfoten im Schlepptau zu einem gemütlichen »café solo« zwischen die Stuhllehnen quetscht.
    Burgos - einst Sitz der kastilischen Könige - hat aber auch sonst noch genügend zu bieten, und so füllen die Stunden Spaziergänge, unter anderem entlang des ausgetrockneten Flußbettes des Río Arlanzón zum Stadttor Santa María, zur Casa del Cordón, zum Reiterstandbild des El Cid und hinauf zu den Ruinen der Burg von wo sich ein wunderbarer Blick auf die Stadt bietet, aus deren Häusermeer die Türme der Kathedrale wie eine zypressenbestandene Insel herausragen. Aber wir brauchen uns heute keine Blasen zu laufen - zwei weitere Tage nehmen wir uns Zeit, die Stadt und ihre nähere Umgebung kennenzulernen. Dazu gehören natürlich die Cartuja de Miraflores, ursprünglich spätgotisch-isabellinischer Königspalast und späterer Besitz der Kartäusermönche; weiters das Hospital del Rey, früher Armen- und Pilgerspital, heute Sitz der Universität; und schließlich das Real Monasterio de Las Huelgas, ein großflächiger, verschachtelter Klosterkomplex des Zisterzienserinnenordens mit reichverzierten Steinsarkophagen spanischer Herrscher und Infanten. Womit uns Las Huelgas jedoch am nachhaltigsten beeindruckt, ist ein im ehemaligen Kornspeicher untergebrachtes Museum für mittelalterliche Textilien - selten, wenn nicht gar einzigartig in seiner Art.
    Summa summarum heißt das für unseren Burgos-Aufenthalt: Wir sind ausgelastet, ohne überlastet zu sein. Auch das Wetter bleibt uns, abgesehen von einem nächtlichen Gewitter, hold, und nur am letzten Tag, nach dem Besuch von Las Huelgas, findet die Hitze des Tages in einem mehrminütigen Hagelschlag und einem anschließenden stundenlangen Geschütte, in dem wir triefnaß campwärts zockeln, einen notwendigen Temperaturausgleich.
    Am Campingplatz machen wir die Bekanntschaft einer älteren, gepflegten Dame aus Holland, die ihr Witwendasein mit Wohnwagenexkursionen abwechslungsreich gestaltet. Ihr gewandtes, unkompliziertes Auftreten, ihre umfangreichen Sprachkenntnisse, ihre Weitgereistheit und nicht zuletzt ihr gnadenloser Witz machen sie zu einer fabelhaften wie köstlichen Gesprächspartnerin. Sie versüßt uns so manche Abendstund’.
     
    Anderntags beklagen wir, wie so häufig in letzter Zeit, Jockls hartnäckige Startschwierigkeiten. Auf sein schwindsüchtiges Gehuste taucht im weiteren Umkreis neugieriges Publikum als Zeugen seines Siechtums auf, und es dauert bange Minuten, ehe der zündende Lebensfunke überspringt. Dann aber legen wir eine raketenhafte Abfahrt hin.
    Nachdem wir unserem leidgeplagten Gefährten am Stadtrand von Burgos noch ein paar Schoppen Diesel zugeteilt haben, begeben wir uns unter rasch zunehmenden Temperaturen westwärts Richtung Buniel, wo wir auf die Schnellstraße nach Palencia auffahren. Die Autovia E80-N620 durchpflügt das breite Tal des Río Arlanzón mit Ortschaften so lehmfarben wie unbedeutend. Allein der markante Hügel des 957 m hohen Quintanilla links von uns lenkt kurz von der übrigen Öde ab. Mit Ungeduld zählen wir die Abfahrten, bis wir dieser Monotonie und dem teilweise horrenden Verkehr den Rücken kehren können. Endlich, die fünfte Abfahrt nach Villaquirán de los Infantes bringt die Loslösung aus der Anspannung. Wenn auch nur auf einem Pannenstreifen befahren, trägt eine Schnellstraße nicht unbedingt zu unserer Urlaubsqualität bei. Wie herrlich gondelt es

Weitere Kostenlose Bücher