Mit Jockl nach Santiago
gibt es auch - blüht ein regelrechter Park mit vielerlei Pflanzen, Bäumen und Unmengen von Hortensien um einen barocken Brunnen. Die Fassaden wirken hier heiter, mit hohen Fenstern und einfachen Schmuckelementen wie jene eines italienischen Palazzos - zusammen betrachtet, ein sehr edles, südländisches Ambiente für einen altgedienten Orden. Auch im ersten Stock des großen Kreuzganges stößt man auf eher Klosterunübliches: Monumentalfresken verschiedener zeitgenössischer Künstler, die das Mauergeviert vollständig mit religiösen Themen in gewagt poppigen Farben gestaltet haben. Kein Bereich des Klosters wirkt verstaubt, modrig oder gar jahrhundertgebrechlich, was den Besuch von San Julian wirklich zu einem kleinen Ereignis macht, nicht zuletzt dank unseres vorzüglichen Begleiters.
In einer Fahrt durch heimatliche Wald-und-Wiesen-Hügellandschaft gehört Samos bald der räumlichen Vergangenheit an, und wir erreichen noch vor der tödlich langweiligen Siesta die Stadt Sarria. Es ist offensichtlich: Viele Passanten erkennen uns, denn dieses Erkennen steht den Leuten förmlich ins Gesicht geschrieben; manche winken, einige rufen uns Unverständliches zu. In einem Zeitungsladen sorgen wir für den prompten Ausverkauf von »El Progreso« und sichern damit die journalistische Kunde in die Heimat. Auch für unseren lädierten Jockl findet sich nach einer Kreuz- und Querfahrt durch die Stadt eine Werkstätte, die seinen Kotflügel zu neuer Tauglichkeit schweißt. Der Preis dafür: eine abwinkende Handbewegung des Meisters. Auch hier kennt man uns, unsere beginnende Popularität trägt erste Früchte. In Sarria vertreten wir uns die Beine, obwohl bei der zunehmenden Hitze eher ein Eisbad angesagt wäre. Doch wir sind nicht die einzigen, die unter den Temperaturen stöhnen. Bei der Weiterfahrt treffen wir auf genügend Pilger entlang der Straße, naßgeschwitzt und mit glühenden Gesichtern. Viele davon lagern auch abseits unter schattigen Bäumen und fächeln sich bescheidene Kühlung zu.
Weite Heidekrautflächen auf Hügeln und an Hängen bestimmen das Landschaftsbild bis nach Portomarín. Wenige Kilometer vor dem Ort lockt bereits das verführerische Dunkelblau des Stausees Belesar. Hier hat der über viele Kilometer gestaute Río Miño in den 60er Jahren den historischen Ort Portomarin nach der Flutung des Staubeckens unter seinen Wassermassen begraben. Zuvor wurden die romanische Wehrkirche San Nicolás und respektable Gebäude des Ortes akribisch getragen und an höherer Stelle über dem See wieder neu errichtet. Das Resultat ergab, trotz Bemühungen um ein einheitliches Gefüge, eine Ansiedlung ohne Wurzeln. Man sieht dem Ort diese Verpflanzung einfach an, daran ändert auch die schmucke Arkadenallee der Hauptstraße nichts.
Bevor wir uns jedoch dem Ort und seinen Besonderheiten näher widmen, holpern wir zum weit außerhalb von Portomarin gelegenen Campingplatz. Mit Hirn und Herz hat dort ein Mann ein kleines Urlaubsidyll geschaffen und sein Anwesen in ein Restaurant mit angeschlossenem kleinen Landhotel umgebaut. Die weite Wiese hinter dem Haus nützt er ganz zwanglos neben der Pferdekoppel als Campingplatz. Sonnentraktiert und mit einer Staubwolke im Schlepptau parken wir den Jockl vor dem Gatter ab. Mehr haben wir für die nächste halbe Stunde auch nicht zu melden. Als der Besitzer, ein athletischer Bursche von zirka 30 Jahren, die antiquierten Formen unseres Jockls sieht, fällt er mit seiner spontanen Begeisterung förmlich über uns her. Kaum vom Traktor gesprungen, begrüßt er uns mit Händegeschüttel, Schulterklopfen, Umarmung und schmatzt mir einen Kuß auf die Wange. »Wos isn jezt los, wos hot a denn? Kennstn du leicht?« Ratloser Blick und hilfloses Schulterzucken meinerseits als Antwort. Eindeutig sind wir hier im falschen Programm gelandet. Aber mitnichten, goldrichtig sind wir! Und gleich geht’s auch ab ins Restaurant, wo wir der »Mama« vorgestellt und uns die Hotelräumlichkeiten gezeigt werden: hier die Küche, da die Bar, unten das Lokal, oben die Zimmer, da die Terrasse und der Blick zum See - alles sehr schön, alles sehr sauber. Schließlich müssen wir noch durch den Hintereingang raus in den Obstgarten. Und hier geht uns endlich ein Licht auf, und wir beginnen den Überschwang unseres schnell gewonnenen Freundes zu begreifen, denn dort unter Birnbäumen rastet ebenfalls ein Traktorveteran einer italienischen Marke. Wir bewundern ihn genauso wie den ausgelassenen Stolz seines
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