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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Besitzers - der eine unbestreitbar eine Maschine mit Vergangenheit, der andere unbestreitbar ein Mann des Lebens. Er redet und redet unentwegt, so wie wir unentwegt Bahnhof verstehen. Aber das macht nichts, er hat einen alten Traktor und wir haben einen, damit ist alles gesagt. Zum Schluß füllt er meine Arme mit saftig-süßen Birnen aus seinem Garten; eine willkommene Abwechslung in unserer leidigen Keks-Diät.
     
    Paahh, der Brotlaib von gestern Abend liegt mir schwer im Gedärm. Nach dem Birnenmahl waren wir nämlich noch Portomarins kulturellen Ruf gefolgt und schweißtriefend in den Ort hinaufgestapft, wo wir in einer Panaderia den letzten Brotlaib des Tages erstanden, den ich binnen einer Stunde fast zur Gänze allein verdrückt habe. Solche Gier rächt sich natürlich bitter; Schlaflosigkeit war dabei das weitaus geringere Übel. Doch wenigstens verdanke ich ihr die Beobachtung eines nächtlichen Nebeleinbruchs, der am Morgen in solch milchiger Dichtheit vom See bis zu uns heraufreicht, daß ich weder Restaurant noch unsere beiden einzigen Mitcamper sichte. Erst am Vormittag lichten und heben sich die Schleier; gerade rechtzeitig zu unserem Aufbruch.
    In Portomarín herrscht ein rühriges, buntes Kommen und Gehen von Pilgern, die zum Teil mit erschöpfungsschweren Schritten die Gasse zur Kirche heraufhecheln oder gedrängt von der Schubkraft ihrer Rucksäcke, knieweich zu Tal marschieren. Ein letzter Blick gilt dem spiegelglatten Stausee, bevor wir uns in einer Kurve um die Bucht Richtung Gonzar verabschieden.
    Wir kommen nicht allzu weit, denn als sich der Verlauf der Landstraße nach einigen Kilometern in eine angenehme Gerade einpendelt, nähert sich uns in zaghaftem Tempo ein weißer Kombi mit zwei Frauen darin. Die schwarze Aufschrift an der Tür brauche ich erst gar nicht zu lesen - »El Progreso« - das verrät mir schon mein siebter Sinn. Die Fahrerin ruft etwas aus dem runtergekurbelten Fenster zu uns herüber; wir verstehen wie immer nicht viel, ahnen aber in diesem Moment bereits so manches. Lange Rede, kurzer Sinn: die beiden Senoras oder Senoritas, des Typs Kumpel-durch-Dick-und-Dünn, ihrer Berufung nach ein Zwei-Frau-Kamerateam des galizischen Fernsehens hat nach dem fulminanten Peregrino-Zeitungsartikel den Auftrag, uns ein kurzes Stück Weg mit der Kamera zu begleiten und ein kleines Interview zu inszenieren. Wahrscheinlich mangelt es dem Sender an einem komödiantischen Programmangebot. Unser Bekanntheitsgrad nimmt demnach einen raketenhaften Aufstieg, doch das hindert uns nicht, im Know-how des Reportagengenres noch in den Windeln zu liegen. Die beiden Frauen sprechen ein besseres Holterdipolter-Englisch als wir, und so meistern wir mit vereinten Mißverständnissen die uns gestellte Aufgabe.
    Zuerst der praktische Teil: das Fahren! Um der Szene etwas abenteuerliche Rustikalität zu verleihen, wagt sich Wolfgang mit dem Jockl über einen niedrigen Graben auf den parallel zur Straße verlaufenden Fußweg des Caminos. So ist es - kaum mit der Fernsehbranche in Berührung, schon buhlen wir um die Gunst des Zuschauers, indem wir nicht vorhandene Gefahren vorgaukeln. Wir lernen schnell! Aus dem fahrenden Auto werden wir nun abwechselnd aus drei Himmelsrichtungen gefilmt, dabei zelebrieren wir einige Male unseren eingeübten fliegenden Fahrerwechsel. Nebenbei wandern Paare und Gruppen von Pilgern und vergnügen sich an dem Spektakel der Außenaufnahmen zum Kultfilm der Zukunft »Un tractor azul en Galicia verde«. Schließlich ereilt uns noch die Geduldsprüfung des Interviews - natürlich in Englisch, oje! Dazu stehen wir wenig dekorativ und windzerzaust am Straßenrand und harren unseres unrühmlichen Auftritts. Eine der beiden Senoras beginnt das Verhängnis mit einigen einleitenden Sätzen, dann die erste Frage. Das Mikrofon wandert unentschlossen zwischen uns hin und her - peinliche Stille. Also so gehts nicht, auf eine Frage folgt gewöhnlich eine Antwort, zumindest im Fernsehen. Bitte von vorne! Auf die erneut gestellte Frage antworten Wolfgang und ich folgsam, aber leider gleichzeitig und mit jeweils anderem Wortlaut, was wiederum der Verständlichkeit sehr abträglich ist. Wir können uns nicht einigen, wer die blamablen Talk-Minuten absolvieren soll; Wolfgang eröffnet die Zug-auf-Zug-Partie mit einem:
    »Mochs du, du host di bessare Aussprach!«
    »Dei Aussprach tuats genauso!«
    »Na oba du host a den greßan Wortschotz!«
    »Na, i bin oafoch vü zu nervös!«
    »Do brauchst doch

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