Mit Konfuzius zur Weltmacht
weltweiten Anti-Terror-Zusammenarbeit verstärkt und werden auch im Rahmen der UNO aktiv.«
US-Präsident George W. Bush hat Nordkorea, Iran und den Irak als Achse des Bösen bezeichnet. Wie weit ist China bereit, Washingtons Politik mitzutragen?
JIANG: »Für uns ist Harmonie das oberste Gebot. Mit Gewalt sind internationale Streitigkeiten nicht beizulegen. Im Gegenteil: Damit werden Frieden und Stabilität erschüttert. Wir plädieren für den Dialog. Wie Deutschland und die meisten anderen Staaten wollen wir die Irak-Frage nach den Vorgaben der UNO-Resolution lösen.«
China hat in den vergangenen Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt und ist seit Kurzem Mitglied der Welthandelsorganisation. Doch viele Staatsbetriebe sind nicht konkurrenzfähig, Staat und Banken schwer verschuldet. Wie wird Ihr Land mit diesen Herausforderungen fertig?
JIANG: »Sie haben recht: Wir haben Erfolge erzielt, die in aller Welt anerkannt werden. Gleichzeitig stellen wir nüchtern fest, dass es beträchtliche Probleme gibt, die für einen solchen Entwicklungsprozess normal sind. Ich bin überzeugt, dass wir sie in den Griff kriegen werden.«
Wie soll das konkret funktionieren?
JIANG: »Unsere Hauptanliegen bleiben Reform und Öffnung der Wirtschaft. Wir wollen den Lebensstandard für alle Bürger verbessern. Dazu werden wir weiter die Inlandsnachfrage ankurbeln. Zugleich müssen wir die Rahmenbedingungen für das Markt-, Finanz- und Regulierungssystem vervollkommnen. Unsere Staatsbetriebe brauchen eine moderne Betriebsorganisation. Wir planen außerdem, die Hightech-Branche schneller zu entwickeln.«
Die Reformen haben ihre Schattenseiten: Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit und eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Wie wollen Sie diese Probleme bewältigen?
JIANG: »Die Ursachen solcher Schwierigkeiten liegen nicht in der Reform. Jedes Land, das eine derart rasche Entwicklung durchläuft, hat ähnliche Probleme. Unter dem Strich überwiegen die Vorteile.«
Die Umstellung trifft vor allem die Bauern.
JIANG: »Richtig. Um deren Beschäftigungs- und Einkommensprobleme zu lösen, muss die Industrialisierung auf dem Land verstärkt und es müssen möglichst viele Bauern in die Städte umgesiedelt werden – ein langwieriger Prozess, den man auch nicht überstürzen darf. In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Stadtbewohner auf 458 Millionen gewachsen, aber die absolute Zahl der Landbewohner ist nicht geringer geworden. Von unseren mehr als 1,2 Milliarden Bürgern leben derzeit 64 Prozent auf dem Land. Zwar ist es uns gelungen, 150 Millionen ländliche Arbeitskräfte in anderen Branchen unterzubringen. Dennoch leben heute 40 Millionen Arbeitskräfte mehr auf dem Land als vorher.«
Die verdienen deutlich weniger als die Städter.
JIANG: »Wir fördern durchaus, dass ein Teil der Bevölkerung schneller reich wird als andere Gruppen – voraus-gesetzt, das geschieht durch ehrliche Arbeit und legale Mittel. Gesetzmäßige Einkommen müssen wir schützen, illegale Verdienstmöglichkeiten dagegen abschaffen und unverhältnismäßig hohe Einkommen regulieren. Wir haben viel getan, um die Grundversorgung der Bevölkerung mit relativ niedrigen Einkommen sicherzustellen. Gerade für sozial Schwache haben wir in den vergangenen Jahren viel Geld ausgegeben und unser Sozialversicherungssystem verbessert.«
Dennoch blühen Kriminalität und Korruption. Bürger protestieren immer häufiger gegen ungerechte Steuern und die Willkür von Funktionären. Fürchten Sie, dass die Kommunistische Partei die Unterstützung der Bevölkerung verliert?
JIANG: »Aufgrund bestimmter Mängel im System, aber auch wegen des moralischen Versagens mancher Funktionäre gibt es in unserer Gesellschaft tatsächlich Fälle von Bürokratie und Machtmissbrauch. Wir stellen uns dem Problem und bekämpfen die Missstände entschieden. In solchen Fällen kennen wir keine Gnade. Die Volksmassen unterstützen uns im Kampf gegen die Korruption, sie stehen fest an der Seite der Parteiführung.«
In den vergangenen Jahren sind private Unternehmen, Börsen und ein neuer Mittelstand entstanden – kann man China überhaupt noch als sozialistisches Land bezeichnen?
JIANG: »Wir haben immer noch die klare Losung: Wir bauen ein sozialistisches Land mit chinesischer Prägung. Wir orientieren uns weiterhin am Marxismus-Leninismus, passen ihn aber an unsere konkreten Bedingungen an. Marx hat seine Theorien vor weit über hundert Jahren in Europa
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