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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Aust
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entwickelt – wie sollte er die Verhältnisse bei uns vorausahnen?«
    Müssen die wirtschaftlichen Umwälzungen nicht notwendigerweise auch Veränderungen im politischen System nach sich ziehen?
    JIANG: »Wir hören oft, dass bei uns die politischen Reformen den wirtschaftlichen Reformen hinterherhinken. Beide sind jedoch nicht zu trennen. In der Praxis heißt das: Manchmal kommen wirtschaftliche Umwälzungen vor politischen Neuerungen. Zu einem anderen Zeitpunkt haben politische Reformen Vorrang vor wirtschaftlichen Veränderungen. Mal geht das eine vor, mal das andere.«
    Wann ist denn der politische Wandel fällig?
    JIANG: »Wir haben bereits in der Vergangenheit viele Reformen verwirklicht. In Form und Inhalt entsprechen sie allerdings nicht immer den westlichen Vorstellungen.«
    Ist das Einparteiensystem wirklich noch unabdingbar für die Entwicklung Ihres Landes?
    JIANG: »Denken Sie daran, dass China mehr als 1,2 Milliarden Einwohner hat. Unser Land ist arm. Wir müssen geschlossen für den Wohlstand kämpfen. Nur die KP ist in der Lage, das Volk zu führen. Daneben haben wir noch acht demokratische Parteien, die sich an der Regierungsarbeit und der politischen Diskussion beteiligen. Deren Status ist allerdings nicht mit der Rolle der KP zu vergleichen.«
    Ist es denkbar, dass sich auch die KP selbst in Zukunft wandelt und sich zum Beispiel zu einer Partei nach sozialdemokratischem Muster entwickelt?
    JIANG: »Ob heute oder in der Zukunft: Den Namen Kommunistische Partei Chinas werden wir nie ändern. In meiner Jugend habe ich aktiv für die Revolution gekämpft, aber meine Vorstellung vom Kommunismus war damals eher oberflächlich und simpel. Um das große Ziel zu verwirklichen, braucht man viel Zeit. Den Konfuzianismus gibt es seit 78 Generationen. Für den Aufbau des Sozialismus benötigen wir mindestens ein paar Dutzend Generationen. Wir stehen immer noch am Anfang.«
    Sie haben sich stets gegen Mehrparteiensystem und Gewaltenteilung ausgesprochen. Brauchen Menschen, die relativ frei wirtschaften dürfen, nicht politische Rechte und unabhängige Gerichte?
    JIANG: »Die Welt zeichnet sich durch Vielfalt aus. Es hat sich doch längst gezeigt, dass es schnell zu sozialen Erschütterungen kommen kann, wenn Entwicklungsländer ohne Rücksicht auf die heimischen Bedingungen politische Systeme anderer Länder kopieren. Bedenken Sie bitte, dass gesellschaftliche Stabilität nicht nur im grundlegenden Interesse des chinesischen Volkes liegt. Davon profitieren auch Asien und die ganze Welt. Man kann sich leicht vorstellen, was es bedeuten würde, wenn es in China zu Unruhen käme.«
    Die Deutschen sind einerseits fasziniert von der stürmischen Entwicklung in China. Gleichzeitig sind viele Menschen erschreckt, weil zahlreiche Oppositionelle und Gläubige noch immer im Gefängnis oder im Lager landen.
    JIANG: »Es stimmt überhaupt nicht, dass Oppositionelle und Gläubige ins Gefängnis geworfen werden. Ich bin zwar Atheist, aber ich interessiere mich sehr für Religion; ich habe die Bibel, den Koran und buddhistische Sutras gelesen. Die chinesische Verfassung garantiert allen Bürgern Religionsfreiheit. Die Zahl der Gläubigen liegt bei über 100 Millionen. Eines steht allerdings fest: In einem Rechtsstaat wie China hat jeder, egal, ob er gläubig ist oder nicht, die Gesetze zu befolgen. Das ist bei uns so wie in anderen Ländern. Wenn jemand verurteilt wird, dann nur, weil er gegen Gesetze verstoßen hat, und nicht, weil er an irgendeine Religion glaubt.«
    Innerhalb Ihrer Partei wird offen und kontrovers über die künftige Ausrichtung und die Rolle der Partei diskutiert. Gleichwohl verfolgen die Behörden unerbittlich Dissidenten. Warum?
    JIANG: »Die Tatsache, dass in unserer Partei Diskussionen geführt werden, zeigt doch nur, wie demokratisch die KP ist. Daneben gibt es Einzelne oder Gruppen, die offen ihre Meinung vertreten, denen es aber nicht um die Verbesserung von Partei und Staat geht, sondern nur um ihre eigenen politischen Ziele. Das werden wir nicht zulassen. Erfahrungen aus Deutschland und Europa können wir bei unseren Voraussetzungen nicht einfach übernehmen.«
    Die Sowjetunion brach zusammen, und die anderen osteuropäischen Staaten durchlebten in den vergangenen Jahren dramatische Veränderungen. Sind das für Sie Erfahrungen, die Sie vermeiden wollen?
    JIANG: »Jedes Land geht seinen eigenen Weg. Ich wage nicht zu sagen, dass alles, was wir von unserer Warte aus gesehen haben, falsch war, oder

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