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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Aust
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China noch weit zurück, ist aber im Begriff, den von Chinesen dominierten Stadtstaat technologisch einzuholen. Singapur war und ist das kapitalistische Vorbild der kommunistischen Organisatoren einer roten Markwirtschaft.
    Nach dem kommunistischen Organisations-Chart gibt der Staats- und Parteichef die große politische Linie vor, der Ministerpräsident kümmert sich um die wirtschaftliche Umsetzung. Als zukünftiger chinesischer Premier ist Li Keqiang vorgesehen, wie der designierte Staatspräsident Xi Jinping ein promovierter Jurist – das ist neu in der Volksrepublik. Erst war das Land von Berufsrevolutionären wie Mao und Deng Xiaoping geführt worden, dann von Ingenieuren wie Jiang Zemin und Hu Jintao.
    1986, Zentrale der Kommunistischen Jugendliga in der Qianmen Dongdajie in Peking: In kargen Büros pinselten Funktionäre an politischen Papieren und entwarfen das Layout von Verbandszeitschriften. Als »Höflichkeitsempfang« war ein Gespräch angekündigt mit dem Mann, der sich in der Leitung der Jugendliga um internationale Beziehungen kümmerte. Sein Name: Li Keqiang. Wir wurden in einen Saal geführt, den zwei rote Sessel beherrschten. Ein Mitarbeiter bat den »ausländischen Ehrengast«, auf dem einen Sessel Platz zu nehmen, der andere war für Li Keqiang reserviert. Mit 31 Jahren war er damals noch ein junger Nachwuchsfunktionär, der breiten Öffentlichkeit in China nicht bekannt, vom Ausland ganz zu schweigen.
    Li Keqiang betrat den Raum. Wie heute wirkte der schlanke Brillenträger freundlich und bescheiden. Eine Hostess reichte hohe chinesische Teetassen, nahm deren Deckel ab und goss heißes Wasser über die Blätter, wie bei offiziellen Empfängen in China üblich. Gefragt nach dem Einfluss der Jugendliga, äußerte sich Li ohne die bis dahin in sozialistischen Ländern übliche Prahlerei: »China ist groß. Es gibt Betriebe, in denen 50 Prozent der jungen Arbeiter bei uns Mitglied sind. Aber wir haben auch Dörfer in abgelegenen Gebieten, in denen die Jugendliga kaum bekannt ist.«
    Schon damals sprach Li Keqiang vor allem über die Wirtschaft: »Unser Ziel ist, die Bedürfnisse der Menschen immer besser zu befriedigen. Wir entwickeln unsere Politik heute nach dem Grundsatz: die Wahrheit in den Tatsachen suchen, nicht mit ideologischen Maßstäben.« Er referierte darüber, was die Jugendliga dazu beitrug: 230 Schlüsselprojekte lagen in ihrer Verantwortung, darunter der Bau eines Wasserkraftwerks bei Peking. Junge Arbeiter und Angestellte, die sich mit besonderen Leistungen hervortaten, wurden als »Schrittmacher des Neuen Langen Marsches« bezeichnet, anspielend auf den von Mao geführten Langen Marsch während des Bürgerkriegs – doch kam die Macht nun nicht mehr nur aus den Gewehrläufen. Zu den »Schrittmachern« gehörten die Schneiderin, die eine modische Kollektion entwarf, und der Schüler, der jemanden vor dem Ertrinken rettete. Vor allem waren es junge Arbeiter, die in ihren Betrieben neue Maschinen erfanden oder Vorschläge zur besseren Organisation der Produktion entwickelten. »Wir müssen effektiver arbeiten«, meinte Li Keqiang damals kritisch. »Deshalb reformieren wir das System der Leitung und Planung der Wirtschaft.«
    Das bedeutete weniger Plan und mehr Markt, wie es in den folgenden Jahren verwirklicht wurde. Auch heute glänzt Li Keqiang als Vordenker. »Wir stehen an einem historischen Wendepunkt«, erklärte er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2010. »Wir müssen den alten Weg des ineffektiven Wachstums verlassen und das gegenwärtige Entwicklungsmodell ändern, das exzessiv auf Investitionen und Exporten beruht.«
    Das Unternehmensgelände im Norden Pekings, ein Park mit modernen Bauten und Teichen, erinnert an die Zentralen von Google und Microsoft. Besucher werden in einen Showroom geführt und staunen darin über Spezialeffekte. So öffnet sich eine Tür automatisch, wenn man ein zum Flugzeug gefaltetes Papier in ein Loch wirft. Das eigentlich Erstaunliche in diesem Showroom aber sind nicht solche digitalen Tricks. Wichtigstes Ausstellungsstück ist vielmehr die bröckelige Fassade eines jahrzehntealten Pekinger Hauses, die hierher verfrachtet wurde. Sie stammt von einer Baracke, in der Chinas Akademie der Wissenschaften ab 1984 elf Ingenieure an Computern tüfteln ließ. Der Staat gewährte ihnen als Startkapital 25 000 Dollar, das sollte reichen. Sie wurden als Firma unter dem Namen Legend registriert, in der Volksrepublik acht Jahre nach Mao eine Revolution.

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