Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
Vom Netzwerk:
Fälschung entlarvt. Auf Zenos Landkarte verläuft eine große grönländische Halbinsel diagonal vom Südwesten her und wölbt sich über Island hin zu einem nicht näher bestimmten nordöstlichen Verbindungsland nach Nordnorwegen hinunter. Zeno fügte auch einige nicht existierende Inseln im Süden und Westen hinzu mit Namen wie Estotilant, Frisland und Iscaria. Die Karte befeuerte im 19. Jahrhundert nicht nur die Fantasie von Richard Henry Major und anderen, die Zenos Arbeit unbedingt mit Ívar Bárdsson wie auch mit »Prinz« Henry Sinclair von Orkney (siehe »Postskriptum«) in Verbindung bringen wollten – viel schlimmer noch war der direkte Schaden, den sie mit wie auch ohne die Hilfe von Ívars »Beschreibung« anrichtete.

|227| Das »neue« Grönland taucht auf
    Nach der Entdeckung von Spitzbergen im Jahr 1596 zeichnete Barentsz eine wunderbare Karte der Arktis. Sie wurde nach seinem Tod 1598 in Den Haag im
Itinerario
des Jan Huyghen van Linschoten veröffentlicht, der Barentsz auf seinen ersten beiden Reisen begleitet hatte. Wie wohl in Anbetracht der langen Erfahrung der Niederländer mit dem Stockfischhandel zwischen Norwegen und anderen Ländern nicht anders zu erwarten, war Barentsz’ Darstellung Norwegens und der Region um das Weiße Meer für seine Zeit verblüffend genau. 12 Er zeigte auch sein neu erworbenes Wissen in Bezug auf die Region Nowaja Zemlja und machte deutlich, dass Spitzbergen seiner festen Überzeugung nach zu Nordostgrönland gehörte – eine Vorstellung, die Christian IV. von Dänemark unglaublich gut gefiel, sobald der englische, niederländische und dänische Walfang vor Spitzbergen begann.
    Zerschnitten von »Martin Frobishers Straytes« reicht Barentsz’ Grönland weit in den Nordosten wie bei Zeno und endet ohne weitere Festlegung irgendwo knapp südlich von »Het nieuwe land« oder Spitzbergen. Nowaja Zemlja und Nordrussland (auch unvollständig) deuten ebenfalls einen durchgehenden polaren Kontinent an. Weit oben an der ostgrönländischen Küste liegt »St. Thomas Cenobium« (Kloster St. Thomas), das Zeno erfunden hatte – ein weiterer Beleg für die allgemeine europäische Überzeugung, die Nordmänner hätten die Ostküste Grönlands besiedelt.
    Das Kloster St. Thomas und viele andere Erfindungen Zenos hatten Eingang in die innovative Weltkarte des Gerhard Mercator (1512–1594) von 1569 gefunden und gehörten schon zur kartografischen Grundausstattung, als Barentsz seine Karte zeichnete. Nach Martin Frobishers Reisen nach Baffin Island 1576, 1577 und 1578 wurden die Vorstellungen von Grönland noch komplizierter. Er und seine Steuerleute versuchten, Grönland – wo sie tatsächlich 1578 anlandeten – in Mercators Bild vom Nordatlantik und der Arktis unterzubringen, und so bekam Südgrönland eine brandneue Passage, Frobisher Strait, die Ost- und Westküste miteinander verband. Dieses Kind, einmal geboren, führte ein langes Leben sowohl unter seinem eigenen Namen wie auch verschmolzen mit einer Passage, die die nordischen Grönländer angeblich »Öllumlengri« genannt haben sollen. Die Zeno-Karte zeigte noch keine irgendwie geartete Ostwestpassage durch Grönland. Diese Vorstellung schmuggelte sich erst mit der holländischen und englischen Übersetzung von Ívars »Beschreibung« und der oben beschriebenen Segelroute ins kontinentaleuropäische Bild von Grönland. Tatsächlich ist die einzige Passage zwischen Ost- und Westküste |228| eine schmale, hundert Kilometer lange Durchfahrt direkt nördlich von Kap Farvel namens Prins Christian Sund oder Ikerassuaq.
    Während Entdecker und Kartenzeichner sich den Kopf über die Geografie der Arktis und Subarktis zerbrachen, war das Unwissen über jene Regionen in ganz Europa immer wieder ein Segen für Scharlatane, die »Informationen« über Grönland verkauften. Ein gutes Beispiel dafür sind Dithmar Blefkens »Reisen und Historie von Island und Grönland«. In einem 1607 erschienenen Buch behauptete der Niederländer Blefken, er habe zwei Hamburger Kaufleute, die 1563 nach Island segelten, als Kaplan begleitet und dort viele Wunderdinge gehört und gesehen. Dabei bediente er sich großzügig bei zeitgenössischen Werken und seiner eigenen fruchtbaren Fantasie und lieferte einige Glanzpunkte, die er angeblich seiner eigenen Beobachtung ebenso verdankte wie isländischen Mönchen, darunter einem, der das Kloster St. Thomas in Grönland besucht hatte. Blefken fand es besonders interessant, dass der Mönch in Grönland

Weitere Kostenlose Bücher