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Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Titel: Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Abfall zu stinken.
    Nach zwanzig Minuten öffnete die Gestalt den Deckel. Der Parkwächter war nirgendwo zu sehen. Ich streckte meinen Kopf aus der Luke und war erst einmal mit Atmen beschäftigt. Die Gestalt tat dasselbe, lupfte dabei ihr Cape und entpuppte sich als jemand, den ich kannte. Zwei Jahre zuvor war er von meiner Schule geflogen, das war selten genug, deswegen hatte ich mir auch seinen Namen gemerkt. Holger Soundso, aber seine Freunde hatten ihn damals immer nur Chucky genannt. Das wiederum hatte ich mir merken können, weil unser Hund genauso hieß.
    Von der Straßenlaterne fiel etwas Licht auf uns. Chucky sah mich an und meinte: »Was machst du denn um die Uhrzeit hier im Park?«
    Die Frage war so blöd, dass ich mich genötigt sah, in die Offensive zu gehen: »Warum stinkst du eigentlich so?«
    Chucky antwortete nicht sofort. Er zündete sich eine Kippe an und sagte: »Das war so eine Valentinstagsaktion. Ich habe mir Rinderherzen vom Schlachthof besorgt. Und die habe ich dann auf die knutschenden Paare im botanischen Garten geworfen. Beim Wegrennen musste ich leider meine Maske und die Sense fallen lassen, da ging der Effekt ein bisschen verloren. – War so politisch gemeint, weißte?«
    Und ich glaubte, bei mir zu Hause wären sie schon komisch drauf!
    Mühsam kletterte ich aus dem Container, und Holger folgte meinem Beispiel. Die restlichen Rinderherzen und das zerfetzte Cape ließen wir zurück. Ich klopfte mir den Dreck von den Klamotten, und wir marschierten Richtung Hauptstraße. Holger musterte mich.
    »Sag mal, hast du eigentlich keine Angst, so um die Uhrzeit so allein?«
    In dem Moment, da er das Thema ansprach, hatte ich plötzlich tatsächlich ein kleines bisschen Schiss. Es war weit nach elf, es war ein weiter Weg nach Hause, und es war saukalt. Außerdem stank ich dermaßen nach Müll, dass es schwierig werden würde, unauffällig ins Haus zu gelangen.
    Da erst fiel mir auf, dass Chucky noch etwas anderes meinen könnte. Ich war ja nicht wirklich allein, sondern zusammen mit einem gesuchten Rinderherzenwerfer im
Ikea -
Betttuch unterwegs. Wer solche
Aktionen
durchzog, hatte vielleicht noch ganz andere Dinge im Kopf.
    »Wollen wir mal zusammen ins Kino?«, bestätigte Holger meine Ahnung.
    Er sagte das so ganz cool, ganz nebenbei und latschte weiter, als hätte er es gar nicht gesagt.
    Ich wollte also auch etwas Lässiges sagen, ohne ihm direkt zu antworten, etwas, was mich geheimnisvoll machen, mich aber auch als Wissende, die fast täglich solche Aktionen durchzog, outen sollte. Also sagte ich ziemlich bemüht wie nebenbei: »Ich hatte mal ’n Hund, der so hieß wie du.«
    Es ist kein wirklich ermutigendes Geräusch, wenn jemand, den du kaum kennst, ernsthaft nach Luft ringt, um dann keuchend hervorzubrüllen: »Das ist ja wohl völlig krank! Wer nennt seinen Hund denn Holger?«
    Holger, formerly known as Chucky, sah mich jetzt vollkommen fassungslos an. Ich dachte noch, dass er im nächsten Moment anfangen würde zu lachen. Tat er aber nicht. Wahrscheinlich nannte er sich gar nicht mehr Chucky, konnte sich auch nicht mehr daran erinnern, jemals so geheißen zu haben, studierte heimlich BWL, und die Rinderherzen hatte er nur geworfen, weil er neidisch auf die Pärchen im Park gewesen war.
    Holger stand da, wartete auf eine Erklärung von mir, so wie vor wenigen Stunden Adam Bronski dagesessen und auf eine Erklärung gewartet hatte, warum die
Diddl -
Maus ihn so doll lieb habe. Aber ich hielt mich davor zurück, Holger an das Knie zu fassen und zu sagen: »Komm, Baby, wir spielen weiter.« Ich drehte mich einfach bloß um und rannte das kurze Stück weiter nach Hause. Dort vergaß ich, durchs Fenster zu klettern und klingelte stattdessen. Zu meiner Überraschung öffnete meine Mutter mir aufgeregt die Tür, ein Glas Sekt in der Hand, mindestens drei im Blutkreislauf, und rief: »Tinka, du hast was verpasst. Adam Bronski hat die doofe Tasse fallen lassen, daraufhin hat deine Schwester sein Knie losgelassen. Die beiden sind nicht mehr zusammen, und wir trinken gerade ein Sektchen darauf. Möchtest du auch einen?«
    »Nein, danke«, erwiderte ich müde und schlurfte Richtung Bett.
    »Danke, dass du noch den Müll rausgebracht hast, wäre nicht nötig gewesen!«, rief meine Mutter noch, und ich fragte mich, wie lange es noch dauern sollte, bis ich endlich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein würde, da nämlich, wo die Action ist. Muss ja nicht politisch sein oder so,

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